mein buch vom leben und sterben (German Edition)
einfach so aufheben und von der straße tragen durfte. ich kniete mich vors woyton auf den gehsteig. paula lag in meinem arm, ganz ähnlich, wie sie es auch beim allerersten mal unserer begegnung getan hatte.
ich dachte immer wieder nur: das kann doch jetzt nicht passiert sein!! und ich fühlte diese hilflosigkeit, das geschehene einfach nur ertragen zu müssen, nichts tun zu können.
es sammelten sich die freunde auf dem gehweg, die belegschaft des woyton kam heraus, und alle standen um uns herum.
ich rief einer passantin zu: »rufen sie einen krankenwagen!«, was diese auch direkt tat.
dann hörte ich ein leises stöhnen, und alles war vorbei. ich selbst realisierte dies noch nicht. und sagte immerzu: »paula, wir fahren jetzt zum arzt, alles wird gut.« das muss wohl einige minuten so gegangen sein. irgendwann kam einer meiner freunde zu mir und sagte: »du, die paula braucht keinen arzt mehr.« ich schubste ihn völlig wütend weg und schrie »verpiss dich«!
dann blickte ich an mir herunter und bemerkte, dass paula sich komplett ihrer körperflüssigkeiten entledigt hatte.
im gleichen moment traf der krankenwagen mit blaulicht ein.
der notarzt bahnte sich den weg durch die vielen nunmehr weinenden freunde und bekannten von uns und fragte in die runde: »wo ist denn der patient?«
ich blickte nur kurz hoch und sagte: »hier! können sie mir bitte sagen, ob mein hund noch lebt?«
als er näher kam, um ihren puls zu fühlen, überkam mich eine riesenpanik, und ich sagte nur: »bitte, tun sie ihr nicht weh!« aber er entgegnete nur recht sachlich: »also der hund ist tot.«
ungefähr zu dem zeitpunkt traf jan ein. mittlerweile saß auch der urkölsche fahrer des wagens neben mir auf dem boden und sagte immerzu: »junge, junge, dat tut mir su leid, äwer mer kaufe dir ene neue!«
es war wohl der schlimmste und auch gleichzeitig der schönste moment meines damaligen lebens. weder groll noch streit oder irgendetwas negatives lagen in der luft. auch ich
war komplett frei von schuldzuweisungen oder wut. ich war unendlich tief traurig, aber doch voller liebe. und ich war dankbar, dass freunde da waren, jan, mit dem mich zu dem zeitpunkt nicht nur eine intensive arbeitsbeziehung, sondern auch eine gute freundschaft verband, der kölsche fahrer, der auf seine art so herzlich war und mit mir litt. der freund, der mir paula aus spanien mitgebracht hatte, stand auch auf einmal da, und so schloss sich der kreis.
nachdem ich vom notarzt etwas zur beruhigung bekommen und einer meiner freunde sich paulas angenommen hatte, galt mein erster anruf meiner mutter. ich glaube nicht, dass ich jemals vorher so ein bedürfnis nach meiner mutter gehabt hatte, wie gerade in diesem moment.
ich beschloss, paula zu ihr zu bringen und sie dann bei ihr im garten zu begraben.
und dann begannen die schwersten tage meines lebens.
ich weiß, es mag komisch klingen, nachdem ich meine eltern und freunde von mir verloren habe. aber meinen hund nicht mehr am hals und im arm halten zu können, hat mich zerrissen. die schlimmste zeit waren die tage direkt danach,
als ich keine erklärung dafür finden konnte, wie und vor allem warum das alles geschehen war.
es machte für mich keinen sinn. paula lief so geradewegs auf diese straße zu. derartiges hat sie wirklich immer nur dann gemacht, wenn ich sie gerufen habe oder im gemeinsamen spiel. zwei tage nach diesem sonntag versuchte der partner meiner mutter, mir eigentlich ganz unspirituell trost zu spenden und sagte: »ach ker, weißte, da stand gott auf der anderen straßenseite und hat gesagt: los, paula, komm! und da ist sie halt losgerannt.«
da machte es bei mir klick, und ich wusste, ja, so ist es tatsächlich geschehen. gott stand dort, und er hat sie gerufen. so hat sie sich in vollstem vertrauen auf den weg gemacht und ist, unbeschwert wie sie war, einfach vors auto gelaufen. fast wie ein selbstmord für mich. damit ich all dies erfahren, mein weiteres leben leben und dies hier schreiben konnte.
und eins ist klar: wenn ich dann gehen werde, weiß ich genau, wer mir entgegenspringen wird. darauf freue ich mich schon heute!
schreib mich voll, mein baby, mein schatz!
ist die post schon da?
vielleicht bist du gerade selbst in der phase, in der du einen dir sehr lieben menschen zu hause liegen hast, der sterben muss. solltest du mitten drin in diesem irrsinn stecken, wünsche ich dir alle kraft und auch, dass du deinen humor gerade jetzt nicht
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