Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
mein buch vom leben und sterben (German Edition)

mein buch vom leben und sterben (German Edition)

Titel: mein buch vom leben und sterben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dada Peng
Vom Netzwerk:
gar nicht mehr zu hören waren, entglitt meiner mutter ein kurzes verächtliches lachen, und dann röchelte sie weiter in den eimer, den ich noch immer in den händen hielt.
     
    ich fand das schon recht abgefahren. aber selbst diese situation konnte meine mutter am darauf folgenden tag noch toppen.
     
    mein größter wunsch war es, während der finalen sterbephase nur nicht alleine mit meiner mutter zu sein. irgendwie sperrte sich da alles in mir, wenn ich mir dies auch nur kurz vorstellte.
    so kam es, dass ich am nächsten morgen am bett meiner mutter saß und ihr die hand hielt. mittlerweile bekam sie morphium und war zeitweilig nicht mehr ansprechbar.
    der lebensgefährte meiner mutter sah kurz herein und teilte mit, er müsse schnell noch zur bank, dann kam mein bruder und sagte, er würde gerne kurz nachhause und nach seinen kindern sehen. meine cousine ging vor das haus, um zu telefonieren, bis ich auf einmal da saß und bemerkte: zum ersten mal, seitdem es in die endphase gegangen war, bist du allein mit ihr und auch allein in der wohnung. ich dachte: »na super, bei meinem glück passiert es jetzt.« und dann verwandelte sich die ganze szenerie auf einmal in eine art rosamunde-pilcher-film. ich hielt die hand meiner mutter, vögel zwitscherten draußen vor dem fenster, helle sonnenstrahlen fielen ins zimmer, und es überkam mich diese ahnung, dass es jetzt geschehen würde.

    mir wurde sehr schwer ums herz. ich verabschiedete mich von dem gedanken, dass ich mich um dieses erlebnis drücken könne und sagte mir: »okay, das kriegen wir jetzt auch noch hin.« mir kamen die tränen, und ich versuchte, gedanklich kontakt mit meiner mutter aufzunehmen: »mama, es ist so schön grad, die vögel zwitschern, es ist ein ganz wundervoller morgen, die sonne strahlt ins zimmer. wenn du jetzt gehen magst, dann mach das! es ist alles okay, und wir zwei machen das jetzt einfach.«
    meine oma hatte mir am tage zuvor erzählt, man erkenne einen akut sterbenden menschen daran, dass um seinen mund herum alles blass wird und er die augen verdreht. und genau das geschah. ihr atmen wurde immer schwerer. hier und da setzten kurze pausen ein.
    und dann war da der moment, in dem ein atemaussetzer ewig schien. es war keine regung mehr zu spüren, und ich wusste: jetzt ist es passiert. es waren vielleicht auch nur zwei oder drei sekunden, in denen diese absolute stille herrschte, als dann urplötzlich meine mutter ihren kopf zu mir herüberdrehte, mich ansah und sagte: »ist die post schon da?«
    ich brauchte einen moment, mich zu fangen, bis ich sie fragen konnte: »auf was für post wartest du denn?« daraufhin rieb sie nur den daumen und den zeigefinger ihrer rechten hand mehrfach aneinander und sagte: »ja ja hier ... moneten ... ich krieg noch geld von der krankenkasse.«
     
    ich putzte mir die nase, wischte meine tränen fort und sagte: »nee, die post ist noch nicht da.« und ich dachte wirklich, will die mich verarschen?
     
    aber ich liebe meine mutter für diese geschichte und freue mich darüber, dass du diese und auch all die anderen zuvor nun mit mir teilst. und sollten wir uns einmal in der u-bahn, in irgendwelchen kaschemmen oder auch in new york treffen, können wir darüber sprechen und zusammen lachen und weinen, gemeinsam neue geschichten erleben, um dann von ihnen zu erzählen.

schreib mich voll, mein baby, mein schatz!

was bleibt am ende meiner und deiner geschichten?
    eigentlich ist das ganze doch recht spannend. da gibt es die, die vorangehen, und uns, die zurückbleiben. eines tages sind aber wir diejenigen, die vorangehen. was wäre der tod ohne mysterium? ohne ein vorangehen und zurückbleiben? der tod wäre dann nicht viel mehr als ein einkauf im aldi. und was wäre, wenn wir genau wüssten, dass wir nach dem tod gemütlich im aldi sitzen, umsonst bier trinken und in der einen ecke würstchen gegrillt würden? da bliebe man halt dort und ginge einfach nicht nachhause, bis die, die zurückgeblieben sind, auch in den aldi kämen.
     
    der tod ist für uns ein unbekanntes land, in das man irgendwann reisen muss. doch so schön es auch sein mag, denen, die nicht mitreisen, fehlt etwas.
     
    vor 100, 200 jahren hatten die menschen ähnliche gefühle, wenn ein geliebter mensch von
hamburg nach amerika ging, von köln in die schweiz, von würzburg nach athen.
    dieses gefühl gibt es heute nicht mehr, weil man sich anrufen kann, skypen und chatten.
    hätte man das vor 200 jahren jemandem erzählt, er hätte es

Weitere Kostenlose Bücher