Mein Ex, der Schneesturm und ich
anzulegen.“
Brody zuckte mit den Schultern, hauptsächlich, um seine verspannten Rückenmuskeln zu lockern. „Der Typ im grünen Pullover war in der Schule einige Klassen unter mir. Ein großmäuliger Idiot.“
„Und heute ist er ein entnervter Vater mit zwei kleinen Kindern, der befürchtet, dass die Situation durch ein schreiendes Neugeborenes bestimmt nicht einfacher wird.“
Brody bemerkte erst jetzt die beiden Jungs, die offenbar zu dem Mann gehörten. Die zwei hätten schon längst im Bett liegen müssen und waren entsprechend aufgekratzt und überdreht, rauften miteinander und zeigten keinerlei Anzeichen von Müdigkeit. Babygeschrei würde es ihrem Vater sicher nicht leichter machen, die beiden zur Ruhe zu bringen.
„Könntest du mir einen Gefallen tun?“, bat ihn Sandy, nachdem er den Paravent um die Feldbetten herum aufgestellt hatte. „Weil ich stille, muss ich sehr viel trinken. In unsere Taschen passte aber leider nur noch eine Wasserflasche und die habe ich bereits ausgetrunken. Würdest du mir vielleicht etwas Wasser aus der Küche holen?“
Endlich eine sinnvolle Aufgabe. Brody war es nicht gewohnt, untätig herumzusitzen. Er wurde das Gefühl nicht los, dass er, wenn der Stromausfall noch länger anhielt, bald um Arbeit betteln würde.
Er schaffte es allerdings nicht bis in die Küche, denn auf halbem Weg traf er auf einen alten Freund.
„Na, sieh mal einer an, wenn das nicht Brody Rollins ist.“ Donnie Cox hatte sich kaum verändert seit dem Tag, an dem Brody ihn bei einer Runde Schnäpse auf einen guten Fang zum letzten Mal gesehen hatte. Er trug ein verwaschenes Flanellhemd und zerschlissene Jeans. Seine Arbeitsstiefel waren nicht zugebunden und an einer Stelle mit Klebeband geflickt. „Hab schon gehört, dass du wieder in der Stadt bist.“
Brody schüttelte Donnies Hand und bemerkte dabei die harten Schwielen auf dessen Handfläche. Bei Brody hatte es gut zwei Jahre gedauert, bis seine Hände wieder so weich waren, dassniemand – insbesondere Frauen – sich daran störten. „Schön, dich wiederzusehen, Cox.“
„Als der Strom ausfiel, habe ich meine Frau und meine Schwiegermutter ins Auto gepackt und bin hergekommen, aber ich geh’ noch mal raus und löse meine Sozialhilfeschecks ein. Ich kann’s nicht leiden, so eingepfercht zu sein.“
„Du bist also verheiratet? Gratuliere.“
„Ich hab Becks geheiratet. Überraschung, Überraschung.“ Donnie und Rebecca waren nicht erst im College ein Paar gewesen, sondern schon seit der Junior High zusammen. „In vier Monaten werde ich Vater. Ist unser Erstes.“
Brody gratulierte ihm und empfand dabei plötzlich ein nagendes Verlustgefühl, als wäre er um etwas betrogen worden. Die Jungs aus der Highschool waren inzwischen verheiratet und hatten Kinder. Dafür hatte er hart an seiner Karriere gearbeitet und ein üppig gedecktes Bankkonto vorzuweisen. Trotzdem wurde ihm nun auf einmal klar, dass er bald dreißig wurde und ihm für Ehe und Familienplanung nicht mehr viel Zeit blieb.
Während er vor sich hingrübelte, wanderte sein Blick unwillkürlich wieder zu Delaney. Hätte er damals nicht die Stadt verlassen, wären sie jetzt miteinander verheiratet und bestimmt schon Eltern. Er würde sich die Hände wund schuften, damit sie ein Dach über dem Kopf und Essen auf den Tisch hatten, während Delaney Rabattmarken sammelte und Wäsche wusch, aus der trotzdem der Geruch nach Fischerboot nie verschwand.
Dass sie nicht das ärmliche Leben der Fischer fristeten, bereute er nicht, aber dass er Delaney verloren hatte, tat weh.
„War toll, dich zu sehen“, erklärte Donnie. „Ich muss jetzt los.“
Brody schüttelte ihm noch einmal die Hand und setzte seinen Weg fort. In der Küche hielt sich als einzige Helferin Delaney auf. Da Brody nicht wusste, wo das Wasser aufbewahrt wurde, blieb ihm nichts anderes übrig, als zu ihr zu gehen. Als sie ihn bemerkte, schaute sie ihn misstrauisch an.
„Was kann ich für dich tun?“
So förmlich und kühl. Früher einmal war sie seine beste Freundin gewesen und allein der Klang ihrer Stimme hatte ihn glücklich gemacht, ganz egal, ob sie ihm nun von ihrem Arbeitstag berichtet, oder ihm verführerische Versprechungen ins Ohr geraunt hatte. „Sandy hat kein Wasser mehr, aber beim Stillen soll sie viel trinken. Sie meinte, hier könnte ich etwas zu trinken bekommen.“
„Da die Küche nachts abgeschlossen wird, lagern wir das Wasser draußen in den Kühlboxen unter dem großen Tisch. So
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