Mein Ex, der sinnliche Verführer
den warmen Pferdekörper. Es war ihm, als würde er selbst das prächtige Tier zu einem immer schnelleren Galopp ermuntern.
„Vergiss nicht zu atmen, Daniel“, flüsterte er. Sein Blick folgte der kleiner werdenden Silhouette, bis sie schließlich hinter dem Horizont verschwand. So tief hatte seit Jahren nichts sein Herz berührt.
War Daniel tatsächlich sein Sohn?
Jetzt erst kam ihm zu Bewusstsein, dass er den Jungen vielleicht nicht so schnell wieder aufs Pferd hätte lassen sollen. Was, wenn er eine Gehirnerschütterung hatte? Zwar hatte er gesagt, dass es ihm gut ging, und außerdem war Manuel dabei, aber trotzdem …
Er spürte, wie sich durch die plötzliche ungewohnte Verantwortung Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten. Hoffentlich passierte dem Kind nichts!
Hatte Caitlyn ihn etwa weggeschickt, damit er dem Jungen wie zufällig begegnete? War es das, wovor sie Angst gehabt hatte?
Er wollte jetzt endlich Antworten. Entschlossen griff er nach seinem Handy. Dass es bei Hassan jetzt mitten in der Nacht war, kümmerte ihn nicht.
Wie immer klang in Hassans Stimme wohlwollendes väterliches Interesse mit. Etwas, das Luke bei seinem leiblichen Vater nie erlebt hatte.
„Raffi, wie geht es dir? Bist du gut angekommen? Hoffentlich gibt es keine Probleme.“
„Nur eins. Gerade bin ich Daniel begegnet.“
Einen langen Moment schwieg Hassan. Dann sagte er: „Mir ist schon in Keeneland aufgefallen, wie ähnlich er dir sieht.“
„Warum hast du mir nichts davon gesagt?“
„Also stimmt es, oder? Ist er dein Sohn?“
3. KAPITEL
Sobald die Limousine vor Caitlyns Ranch hielt, riss Luke die Tür auf und sprang heraus. Die gegensätzlichsten Gefühle machten ihm zu schaffen: Auf der einen Seite wünschte er, er wäre nie zurück nach Texas gekommen, auf der anderen Seite war er glücklich, dass er wieder da war. Er wünschte, Hassan hätte ihn von Anfang an eingeweiht, und freute sich, dass er den Jungen mit eigenen Augen gesehen hatte. Er war wütend auf Caitlyn und dachte voller Zärtlichkeit an ihren waghalsigen kleinen Sohn.
Er fühlte sich so verwirrt, dass Caitlyn die letzte Person war, mit der er jetzt sprechen wollte. Aber er musste ihr sagen, dass er, wenn der Kleine von ihm war, sie niemals mehr verlassen würde.
„Er gleicht dir so sehr“, hatte Hassan am Telefon gesagt. „Ich konnte ihn nicht einfach vergessen und nichts tun. Deshalb habe ich ihr geholfen. Und deshalb habe ich dich geschickt und niemanden sonst. Wenn du zu meiner Familie gehörst, dann auch der Junge und seine Mutter.“
„Du hättest es mir sagen können.“
„Du solltest Daniel selbst sehen. Es gib Dinge, die ein Mann allein sehen, spüren und entscheiden muss“, waren Hassans Worte gewesen.
Mit geballten Fäusten stürmte Luke zur Koppel, fand dort aber nicht Caitlyn, sondern Lisa vor. Sie stand ans Gatter gelehnt und lauschte auf das, was im Hänger passierte.
Aufgewühlt fragte Luke nach Caitlyn.
Mit gekonntem Augenaufschlag sah sie ihn an. „Ah, schon zurück, Luke?“ Sie spielte mit den Enden ihrer Reitpeitsche.
„Sie ist aber nicht mit deinem Hengst im Hänger, oder?“, fragte Luke entsetzt.
„Warum denn nicht?“, entgegnete sie beleidigt. „Sie weiß schon, was sie tut. Außerdem ist er schon fast drin. Sie hat es in Rekordzeit geschafft. Dabei kann er manchmal ganz schön grob sein.“
Beim Gedanken an Caitlyn mit einem über fünfhundert Kilogramm schweren, unberechenbaren Pferd in dem engen Anhänger hielt Luke den Atem an. Das war ja glatter Selbstmord!
Am liebsten hätte er laut gerufen, sie solle herauskommen, aber damit hätte er sie erst recht in Gefahr gebracht. Also ging er leise auf den Hänger zu, um Ramblin’ Man nicht zu erschrecken. Dann wartete er, dass Caitlyn wieder herauskam.
Vor Angst um sie klopfte ihm das Herz bis zum Hals.
Er hörte, wie sie mit ihrer sanften Stimme beruhigend auf den Hengst einsprach – und das nervöse Scharren seiner Hufe.
Warum, zum Teufel, ging das Tier nicht einfach in den Hänger!
„Keine Angst, hier gibt es keine Bienen. Nur noch einen Schritt, und du darfst nach Hause fahren. Das möchtest du doch, stimmt’s, mein Schöner?“
Da klingelte Lukes Handy.
Ramblin’ Man explodierte förmlich. Wie wild schlug er um sich und wieherte entsetzt. Caitlyn schrie auf, und im nächsten Moment sprengte der Hengst mit schreckgeweiteten Augen aus dem Hänger.
Am schlimmsten war, dass Caitlyn sich mit dem Fuß in der Longierleine verfangen hatte und
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