Mein feuriges Herz
wusste er längst Bescheid.
Wie jeden Nachmittag in dieser Woche ritt Gray auf Raja im vollen Galopp querfeldein, ohne seinen Gedanken an Coralee entfliehen zu können. Die Besorgnis, es könnte ihr etwas zustoßen, machte ihn körperlich krank.
Bis auf die wenigen Stunden, die er sich zurückzog, um allein zu sein, wenn er Coralee im Schloss und somit in Sicherheit wusste, hielt er sich in ihrer Nähe auf. Aber selbst dann nagte die Besorgnis an ihm. Er zügelte Raja auf einer Hügelkuppe, ließ ihn kurz verschnaufen und machte sich auf den Rückweg.
Seine Gedanken wandten sich der Ankündigung seiner Schwägerin beim Lunch zu. Nächstes Jahr um diese Zeit wäre Charles bereits Vater. Wenn der Sprössling ein Junge war, wären Erbfolge, Titel und Besitz der Tremaines gesichert. Und Charles wäre gewiss ein idealer Vater.
Zum ersten Mal dachte Gray an die Möglichkeit, dass Coralee ein Kind empfangen haben könnte.
Ein beängstigender Gedanke.
Grauenvoll.
Gray, der nie einen liebevollen Vater gehabt hatte, konnte sich in dieser Rolle nicht vorstellen. In seiner kurzen Ehe mit Jillian hatte er es dennoch als seine Pflicht erachtet, einen Erben in die Welt zu setzen.
Doch dann war Jillian plötzlich gestorben, und er hatte sich bittere Vorwürfe gemacht. Hätte er an dem Bootsausflug teilgenommen, hätte er sie retten können, daran hatte er nicht den geringsten Zweifel.
Eine Welle der Übelkeit stieg in ihm hoch. Er hatte als Ehemann versagt, und wenn er ein Kind gezeugt hätte, würde er auch als Vater versagen. Einen Moment lang fürchtete er, sich übergeben zu müssen.
Er durfte nicht riskieren, einen Sohn oder eine Tochter zu enttäuschen – Coralee zu enttäuschen.
Vom heutigen Tag an wollte er Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass Coralee schwanger wurde, falls die Katastrophe nicht bereits geschehen war.
Er lieferte Raja bei Dickey im Stall ab und begab sich ins Haus.
„Hast du die Countess gesehen?“, fragte er Samir.
Der kleine Hindu lächelte. „Sie wartet oben, sahib .“ Samir hatte sich bisher noch kaum über die Frau geäußert, die sein Herr geheiratet hatte. Er war ein weiser Mann und neigte nicht dazu, ein schnelles Urteil über andere Menschen zu fällen.
Als Gray die Tür zu seinem Salon aufstieß und nach ihr rief, wusste er, warum Samir so glücklich gelächelt hatte.
Verblüfft blieb Gray auf der Schwelle stehen. Ihm war, als betrete er eine andere Welt, die Welt seiner Vergangenheit. Das Zimmer war völlig verändert. Die massiven Eichenmöbel und die schweren Samtdraperien, die sich immer bedrückend auf sein Gemüt gelegt hatten, waren verschwunden, und mit ihrem Verschwinden schienen die düsteren Erinnerungen an seinen Vater zu verblassen.
Im Sonnenlicht, das durch die Fenster strömte, sah er leichte Möbel aus Teak und Bambus, eine Rosenholzkommode mit Messingbeschlägen, eine Mahagonitruhe mit Elfenbeinintarsien, einen eleganten Schreibtisch mit Ebenholzsäulen. Auf Beistelltischen standen blitzende Messinglampen und antike Schalen, wie er sie nur in Indien gesehen hatte.
Er betrat sein Schlafzimmer, farblich abgestimmt zum Salon, Tapeten und Vorhänge in warmen Honigtönen, Perserteppiche in dunklem Grün und sattem Rot gehalten.
Nur das Bett war geblieben, mit einem neuen roten Seidenüberwurf und dekorativen Kissen in blauen und grünen Paisleymustern. Er hatte das Gefühl, seine Frau habe ihm direkt in die Seele geblickt, als wisse sie um die Welt, in der er am glücklichsten war.
„Gefällt es dir?“
Er drehte sich um. Sie stand nur wenige Schritte von ihm entfernt da und sah so wunderschön aus, dass ihm warm ums Herz wurde.
„Du liest in meinem Herzen“, sagte er mit bewegter Stimme.
Tränen verschleierten ihr den Blick, als sie sich ihm näherte. Sie schmiegte sich an ihn und schlang die Arme um seinen Hals.
„Ich hoffte, es gefällt dir. Ich möchte dir das Gefühl geben, zu Hause zu sein.“
Er hielt sie, hielt sie einfach nur. Ihr zierlicher Körper schmiegte sich an ihn und erfüllte ihn mit tröstlicher Wärme. Er sollte sich von ihr lösen, denn es war gefährlich, diese Gefühle zuzulassen. Tief holte er Luft und trat einen Schritt zurück, ohne ihre Hände loszulassen.
„Es ist wunderschön. Ich bin begeistert. Vielen Dank für dieses wunderbare Geschenk.“
Corrie nickte, führte ihn zur Verbindungstür und stieß sie auf. Die angrenzenden Gemächer waren ähnlich eingerichtet; in ihrem Zimmer überwogen sanftere Töne, aber
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