Mein Flirt mit der Blutfrau
hatte der Blutfrau zwar schon des öfteren >Nahrung< gebracht, dennoch war es für ihn jedesmal neu, immer wieder ein schauriges Abenteuer.
Aus dem Schacht drangen keine Geräusche mehr. Die Blutfrau war zufrieden. Vielleicht ruhte sie jetzt, was für Juan natürlich nicht in Frage kam, er mußte wieder zurück.
Der Junge schob den Boden des Käfigs wieder so in die Halterung, daß er fugendicht abschloß, und löste die Hebelstange hinter dem Deckel, den erdann kippte.
Mit einem schwappenden Laut schloß er die Öffnung. Seine Arbeit war getan.
Er richtete sich auf.
Durch das lange Sitzen waren die Gelenke etwas steif geworden. Er bewegte rollend die Schultern und stemmte sein Gesicht gegen den Wind. Das liebte Juan neben der Einsamkeit dieser Felsenküste. Weiter südlich, wo die Touristenorten Benidorm, Altea und Calpe lagen, war der Strand besser, auch natürlich der Sand, aber da standen auch die Bettenburgen und verschandelten die Landschaft. Wer in Etula di mar, wie es offiziell hieß, Urlaub machte, der suchte das Ursprüngliche, Ruhe, und bekam auch einen Sandstrand geboten.
Juan nahm den Käfig hoch und machte sich wieder auf den Rückweg. Er umrundete das Gehölz, dann hatte er wieder die freie Felsenfläche erreicht, über die der Wind strich und den Geruch des Meeres mitbrachte. Im Ort würde man ihn nicht vermissen, er hatte momentan auch keine Arbeit angenommen. Erst in der kommenden Woche, wo Gäste zu erwarten waren, wollte er in dem einzigen Hotel aushelfen. Die kleinen Pensionen brauchten kein Personal, da halfen die Mitglieder der Familien.
In Etula brannten fast alle Lichter. Wie ein heller, leicht welliger Teppich lag der Ort unter ihm, und auch den weißen Streifen der Brandung sah er.
Er fand den schmalen Pfad, der in die Mulde hineinführte, sofort. Sie lief zum Strand hin flach aus. Erst weiter nördlich wuchsen die Felsen wieder wie verschachtelt stehende Mauern hoch.
Juan war guter Laune. Er pfiff ein Liedchen und dachte daran, daß sich in Etula bald einiges ändern würde. Dann hielt der Schrecken Einzug; denn die Blutfrau würde ihr Versprechen in die Tat umsetzen, davon ging Juan aus.
Er hatte seinen Weg innerhalb kurzer Zeit zurückgelegt. Die beleuchtete Hauptstraße interessierte ihn nicht, sie wirkte trotz der noch relativ frühen Stunde leer, denn nur wenige Wagen schoben sich durch den Ort. In der folgenden Woche begann die Vorsaison, dann würde sich einiges ändern. Die Voraussagen der Wetterfrösche sahen gut aus. Es sollte viel Sonne geben. Wenn diese Prognose eintraf, würden sich die ersten Touristen an den Strand wagen. Ins Wasser würden allerdings nur die Abgehärteten gehen.
Ein Fischer und Bootsverleiher hatte Juan ebenfalls ein Angebot gemacht, Touristen auf Vergnügungsfahrten zu begleiten. Er hätte mehr bezahlt als Sehor Gomez, der Hotelbesitzer, aber darauf hatte Juan verzichtet. Er wollte im Ort bleiben und zuschauen. Seine Tante besaß ein altes Haus. Manche bezeichneten es als windschiefe Hütte. Sie stand abseits, wo der steinige, braune Hang begann und die Gassen sehr schmal waren. Das Haus war das letzte in der Reihe. Zu einer Seite hin fiel es schräg ab und sah deshalb so aus, als würden sich jeden Moment die Ziegel lösen und nach unten rutschen. Zwei Hunde sprangen ihm kläffend entgegen. Juan trat nach den struppigen Straßenkötern. Er mochte sie nicht. Sie störten ihn oft genug mit ihrem Gebell.
Seine Tante, die meist früh zu Bett ging, war noch auf den Beinen. Hinter den kleinen Fenstern schimmerte Licht. Vor den Scheiben hingen Spinnweben wie graue Wattefäden. Juan hatte versprochen, sie am nächsten Tag zu entfernen.
Die Tante hockte in einem alten Ohrensessel, dessen Stoff längst verschlissen war, und starrte auf die Mattscheibe. Es lief ein alter Liebesfilm, bei dem die Frauen feuchte Augen bekamen.
»Da bist du ja endlich!« begrüßte sie den eintretenden Juan. »Wo hast du dich herumgetrieben?«
»Ich bin gewandert.« Den Käfig hatte Juan hinter dem Haus in einem kleinen Schuppen abgestellt.
»Und wohin?«
»Zum Strand.«
Seine Tante stemmte sich hoch. Sie gehörte zu den Frauen, die fast so breit wie groß waren. Sie trug einen alten Blümchenkittel und hatte auch eine Strickjacke über die welligen Schultern geworfen. Das Haar wirkte durch die Lockenwickel wie ein Kunstwerk.
»Morgen werde ich nach Alicante fahren«, sagte sie. »Willst du mitkommen?«
»Was soll ich dort?«
»Ja, schon gut. Ich werde von Dario
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