Mein Freund Dewey, der beruehmteste Kater der Welt
ich Dewey am nächsten Morgen abholte, brach mir fast das Herz. Er hatte einen abwesenden Blick und ein rasiertes Bäuchlein. Ich nahm ihn auf den Arm. Er rieb seinen Kopf an mir und begann zu schnurren. Er war so froh, seine alte Freundin Vicki wiederzusehen.
In der Bücherei kamen uns alle sofort entgegen.
»Armes kleines Katerchen«, sagten sie.
Ich übergab ihnen Dewey – denn schließlich waren auch sie seine Freunde – und machte mich wieder an die Arbeit. Zum einen kümmerten sich schon genügend Leute um ihn und zum anderen war ich durch meinen Besuch beim Tierarzt im Rückstand und auf meinem Schreibtisch türmte sich die Arbeit.
Aber ich blieb nicht lange allein. Nach einer Stunde, als ich beim Telefonieren einmal zur Tür schaute, kam gerade Dewey hereingewackelt. Ich wusste, dass ihn die anderen mit Liebe und Aufmerksamkeit überschüttet hatten, aber an seinem entschlossenen Herantapsen sah ich, dass er mehr brauchte.
Es ist immer nett, eine Katze um sich zu haben, aber meine Beziehung zu Dewey ging tiefer. Er war so intelligent, verspielt und so freundlich zu Menschen. Damals stand er mir noch nicht so nahe wie später, aber ich liebte ihn schon jetzt.
Und er liebte mich auch auf eine ganz besondere Weise. Aus dem Blick, mit dem er mich an diesem Morgen ansah, sprach etwas anderes. Es war mir noch nie so klar gewesen wie in diesem Augenblick, als er sich so viel Mühe gab, um zu mir zu kommen. Ich konnte ihn beinahe sagen hören: »Wo warst du? Ich habe dich vermisst.«
Ich beugte mich hinunter und nahm ihn in den Arm. Ich weiß nicht mehr, ob ich es aussprach oder nur dachte, aber ich wusste, dass er meine Gedanken lesen konnte. »Ich bin deine Mami, nicht wahr?«
Dewey legte seinen Kopf auf meine Schulter, schmiegte sich an meinen Hals und schnurrte.
7
Deweys Mambo
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Natürlich war Dewey kein Musterknabe. Zwar war er ein liebenswerter, wunderschöner Kater und auch außergewöhnlich zutraulich, aber gleichzeitig war er noch jung und ungestüm. Mitunter raste er wie ein Wahnsinniger durch das Büro, warf aus reiner Lust am Spiel Papierstapel um oder ließ sich nicht abweisen, wenn ein Besucher mal seine Ruhe haben wollte. Seine Anwesenheit bei der Vorlesestunde putschte die Kinder so sehr auf, dass unsere Kinderbibliothekarin Mary Walk ihn vor die Tür setzte.
Und dann war da noch Mark. Mark war eine große Stoffpuppe, die ein Kind mit Muskeldystrophie darstellte. Wir setzten ihn ein, wenn wir mit Schulkindern über Körperbehinderung sprachen. Dewey schlief gerne auf Marks Schoß, und dadurch waren Marks Beine ständig voller Katzenhaare. Es wurde so schlimm, dass wir Mark in einen Schrank sperren mussten. Dewey brauchte eine ganze Nacht, um den Schrank zu öffnen, und schlief dann wieder auf Marks Schoß. Am nächsten Tag kauften wir ein Schloss für den Schrank.
Aber nichts von alledem ließ sich mit dem Theater vergleichen, das Dewey anstellte, wenn er Katzenminze roch. Doris Armstrong brachte Dewey regelmäßig kleine Geschenke mit, wie etwa kleine Bälle oder Spielzeugmäuse. Doris hatte zu Hause selbst Katzen und immer, wenn sie für ihre Haustiger etwas in der Zoohandlung besorgte, dachte sie auch an Dewey.
Eines Tages, gegen Ende von Deweys erstem Sommer, war ihr Mitbringsel ein Beutel frische Katzenminze. Dewey wurde von dem Geruch so aufgeregt, dass ich einen Moment lang dachte, er würde gleich an ihrem Bein hinaufklettern. Zum ersten Mal in seinem Leben bettelte er.
Als Doris endlich ein paar Blätter zerkrümelte und auf den Fußboden fallen ließ, drehte Dewey durch. Er schnupperte so intensiv daran, als wolle er die Blattkrümel mit seiner Nase vom Boden aufsaugen. Kurz darauf begann er zu niesen, doch das bremste ihn nicht. Als Nächstes kaute er die Blattstückchen. Danach wechselte er laufend durch: kauen, schnüffeln, kauen, schnüffeln und so weiter. Man konnte sehen, wie sich seine Muskeln unter dem Fell spannten und entspannten und wie ein Schauer nach dem anderen seinen Körper durchlief. Danach ließ er sich zu Boden fallen und rollte sich in der Katzenminze hin und her. Es war, als wären seine Knochen aus Gummi. Er konnte nicht mehr laufen und robbte schlängelnd über den Boden, wobei sein Kinn geifernd über den Teppich pflügte.
Nun begann sich Deweys Rückgrat wie in Zeitlupe zurückzubiegen, bis sein Kopf auf seinem Hinterteil ruhte. Er verbog sich in alle Richtungen und sah aus, als wäre die vordere Hälfte
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