Mein Freund Dewey, der beruehmteste Kater der Welt
Bücherei verreisen musste.
Ich konnte ihnen nicht versprechen, dass während meiner Abwesenheit nichts passierte, aber ich versicherte ihnen, dass ich merken würde, wenn er ernsthaft krank war. Und in solch einem Fall würde ich ihn zum Tierarzt bringen und tun, was zu tun war.
Abgesehen davon war Dewey ja gar nicht krank. Er sprang immer noch auf den Ausgabetisch und wieder herunter. Daran konnte ich sehen, dass seine Arthritis gar nicht so schlimm war. Seine Verdauung funktionierte besser als je zuvor, aber er hatte immer noch gerne Gesellschaft, wenn er sein Katzenklo benutzte. Doch im Umgang mit einer älteren Katze braucht man viel Geduld und nicht alle Angestellten der Bücherei brachten die auf.
Je betagter er wurde, desto weniger Fans hatte Dewey in der Stadt. Zuerst fielen diejenigen ab, die ihn nie wirklich gemocht hatten, danach die Unentschlossenen und sodann einige Stammleser, die in ihrer Bücherei nur eine attraktive, aktive Katze antreffen wollten. Und schließlich jene Mitglieder der Belegschaft, die keine Lust hatten, sich um einen alten Kater zu kümmern.
Obwohl ich das wusste, war ich überrascht, dass sich die Versammlung des Bücherei-Aufsichtsrates im Oktober zu einer Abstimmung über Dewey entwickelte. Ein Besucher hatte erwähnt, dass er nicht gut aussah. Der Aufsichtsrat schlug vor, tierärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
»Bei der letzten Untersuchung«, berichtete ich, »stellte Dr. Franck bei Dewey eine Schilddrüsenüberfunktion fest. Das ist ebenso altersbedingt wie seine Arthritis, seine trockene Haut und die dunklen Altersflecken auf Lippen und Rachen. Dr. Franck hat etwas dagegen verschrieben, das ich in Deweys Ohr einreibe. Sein Allgemeinzustand hat sich bereits gebessert. Und machen Sie sich keine Sorgen …«, fügte ich hinzu, »wir finanzieren die Medikamente durch Spenden und den Rest bezahle ich aus eigener Tasche. Kein einziger Penny der Stadt wird für Dewey verwendet.«
»Ist Schilddrüsenüberfunktion etwas Ernstes?«
»Ja, aber sie lässt sich behandeln.«
»Wird von dem Medikament auch sein Fell besser?«
»Stumpfes Fell ist keine Krankheit, es ist ebenso altersbedingt wie die grauen Haare, die wir bekommen.«
Dafür hätten sie eigentlich Verständnis haben sollen, denn am Tisch saß niemand, der nicht wenigstens ein paar graue Haare auf dem Kopf hatte.
»Und warum ist er immer noch so mager?«
Ich erzählte, was er zu fressen bekam und dass Donna und ich das Katzenfutter zunehmend durch Rindfleisch- und Cheddarkäse-Sandwiches ersetzten.
»Aber er sieht nicht gut aus«, warf jemand ein.
Immer wieder kamen sie darauf zurück: Dewey sah nicht gut aus, Dewey ließ die Bücherei in einem schlechten Licht erscheinen. Ich weiß, dass sie es gut meinten, aber nachvollziehen konnte ich ihren Standpunkt nicht. Es stimmte, das Dewey nicht mehr so niedlich aussah wie früher, aber schließlich wird jeder mal älter. Achtzigjährige sehen nun mal nicht wie Zwanzigjährige aus und das sollen sie auch gar nicht.
»Warum nehmen Sie Dewey nicht zu sich nach Hause? Ich weiß, dass er bei Ihnen ist, wenn die Bücherei geschlossen bleibt.«
Das hatte ich selbst schon überlegt, aber ich wusste, dass Dewey bei mir nicht wirklich glücklich sein würde. Ich war nicht viel zu Hause und Dewey hasste es, alleine zu sein. Er wollte Leute um sich haben.
»Vicki, es gab Beschwerden. Verstehen Sie denn nicht? Unsere Aufgabe ist es, für die Bürger unserer Stadt zu sprechen.«
Der Aufsichtsrat schien mir sagen zu wollen, dass die Stadt Dewey nicht mehr in der Bücherei haben wollte. Das war lächerlich, denn ich sah jeden Tag, wie sehr die Menschen dieser Stadt Dewey liebten. Vielleicht waren beim Aufsichtsrat ein paar Beschwerden eingegangen, aber Beschwerden hatte es schon immer gegeben. Jetzt, wo Dewey nicht mehr so gut aussah, wurden diese Stimmen lauter. Das bedeutete aber nicht, dass sich die ganze Stadt gegen Dewey verschworen hatte. Im Laufe der Jahre hatte ich begriffen, dass diejenigen Menschen, die Dewey gerne hatten und die ihn wirklich brauchten nicht diejenigen mit den lautesten Stimmen waren.
Und selbst wenn die Befürchtungen des Aufsichtsrats zutrafen und die Mehrheit der Bürger von Spencer inzwischen gegen Dewey war, hatten wir dann nicht trotzdem die Pflicht, für ihn einzutreten? Sogar wenn nur fünf Menschen wollten, dass er in der Bücherei blieb. Wir konnten Dewey nicht einfach rauswerfen, weil uns der Anblick des alten, schwachen Katers nicht
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