Mein Freund Dewey, der beruehmteste Kater der Welt
länger mit Stolz erfüllte.
Im Grunde aber hatte mir der Aufsichtsrat damit noch etwas anderes sagen wollen: »Dewey ist nicht Ihre Katze, sondern er gehört der Stadt. Weil wir die Stadt vertreten, haben wir zu entscheiden, und wir wissen, was das Beste ist.«
Ich hatte wenig dagegenzusetzen. Dewey war tatsächlich Spencers Katze. Gleichzeitig war er aber auch meine Katze. Und schlussendlich war er eine Katze . Bei dieser Versammlung merkte ich allmählich, dass Dewey für diese Leute kein Tier aus Fleisch und Blut mehr war, sondern ein Gegenstand. Einige Mitglieder des Aufsichtsrates sahen den Kater Dewey anscheinend nur noch als Symbol.
Außerdem muss ich gestehen, dass mir (an jenem Nachmittag) noch ein weiterer Gedanke durch den Kopf ging: Ich werde älter und meine Gesundheit ist nicht mehr die beste. Werden sie mich auch rauswerfen?
»Ich weiß, dass ich Dewey am Nächsten stehe«, sagte ich zu den Aufsichtsräten. »Vielleicht denken Sie, ich liebe Dewey zu sehr, und dass dies mein Urteilsvermögen trübt. Aber glauben Sie mir, ich weiß, wenn es so weit ist. Ich habe mein Leben lang Tiere gehabt und wenn es nicht mehr anders ging, habe ich sie einschläfern lassen. Es ist hart, aber wenn es sein muss, werde ich es tun. Auf gar keinen Fall will ich, dass Dewey leidet.«
Jemand kam auf die Idee, ein Komitee aufzustellen, das über Deweys Zukunft entscheiden sollte. Als sie schon überlegten, wen sie dafür aufstellen könnten, meldete sich eine Dame namens Sue Hitchcock energisch zu Wort: »Das ist ja lächerlich. Ich kann nicht glauben, dass wir überhaupt über dieses Thema reden. Vicki arbeitet seit 25 Jahren in der Bücherei und hat sich 19 Jahre lang um Dewey gekümmert. Vicki weiß genau, was sie tut und wir sollten ihr Urteilsvermögen wirklich nicht infrage stellen.«
Zu meiner unsäglichen Erleichterung stimmten ihr sofort alle kleinlaut bei. Es war soeben ein Sieg errungen worden: für Dewey, für die Bücherei, für die Stadt und auch für mich.
29
Armer kranker Kater
I m September 2006, wenige Wochen vor der im vorhergehenden Kapitel geschilderten Aufsichtsratssitzung, kamen zu einer Veranstaltung knapp hundert Menschen in die Bücherei. Ich hatte gedacht, Dewey würde sich in den Büros verstecken, doch stattdessen mischte er sich wie gewohnt unter die Leute. Wie ein Schatten glitt er zwischen unseren Gästen hindurch. Viele bemerkten ihn gar nicht richtig, aber immer wieder fand sich zwischendurch jemand, der ihn streichelte.
Nach der Veranstaltung kletterte Dewey in sein Bettchen über Kays Schreibtisch. Er war ganz offensichtlich erschöpft. Kay ging zu ihm hin und kraulte ihn ein bisschen am Kinn. Es war ein Dankeschön, wie wir es gelegentlich Freunden sagen, wenn wir ihnen dafür danken wollen, dass sie Teil unseres Lebens sind.
Zwei Monate später, Anfang November, begann Deweys Gang unsicher zu werden. Er pinkelte außergewöhnlich oft und mitunter nicht in sein Katzenklo, sondern auf die untergelegte Zeitung. So etwas hatte er noch nie zuvor getan. Aber er zog sich nicht zurück, sondern sprang immer noch auf den Ausgabetisch und wieder runter. Er suchte weiterhin den Kontakt zu den Besuchern und schien auch keine Schmerzen zu haben. Ich rief Frau Dr. Franck an und sie riet mir nur, ihn sorgfältig zu beobachten.
Dann, an einem Morgen nach Thanksgiving, winkte mir Dewey nicht zu. Stattdessen saß er nur vor der Eingangstür und wartete auf mich. Ich beeilte mich, ihn zu seinem Katzenklo zu tragen und füllte seinen Napf. Er aß ein paar Bissen und begleitete mich dann auf meiner Runde durch die Bücherei. Weil ich eine Reise nach Florida vorbereiten musste, ging ich in mein Büro und ließ Dewey in der Obhut meiner Kolleginnen zurück. Wie immer schaute er vorbei, um an meinem Belüftungsgitter zu schnuppern, um sicherzugehen, dass mir von dort keine Gefahr drohte. Je älter er geworden war, desto mehr hatte er sich um unsere Sicherheit gesorgt.
Um halb zehn stand ich vom Schreibtisch auf, um Deweys zweites Frühstück zu holen, ein Schinken-, Ei- und Käsebrötchen einer Schnellrestaurantkette. Als ich in die Bücherei zurückkehrte, lief Dewey mir nicht wie sonst entgegen. Ich nahm an, dass unser schwerhöriger Kater die Tür nicht gehört hatte. Tatsächlich fand ich ihn schlafend in einem Sessel in der Nähe des Ausgabetischs. Ich wedelte mit dem Beutel herum, um den Geruch seines Inhalts zu verbreiten, und Dewey sprang aus dem Sessel und sauste in mein Büro. Ich
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