Mein Freund Dewey, der beruehmteste Kater der Welt
diesem Treffen aber auch, dass wir unsere Gefühle für Dewey nicht mit Worten beschreiben konnten. Es war nicht einfach zu erklären, warum er für uns so etwas Besonderes gewesen war. Schließlich meinte eine Lehrerin: »Viele sagen, was soll das alles, es war schließlich nur eine Katze. Aber sie irren sich. Dewey war so viel mehr.« Wir alle wussten genau, was sie meinte.
Die nächsten Tage waren hart. Während ich weg war, hatten meine Kolleginnen seine Näpfe gereinigt und das verbliebene Futter gespendet, aber ich sollte sein Spielzeug weggeben. Ich musste sein Fach im Regal ausräumen: seine Pflegeprodukte, die Bürste, das rote Garnknäuel, mit dem er sein Leben lang gespielt hatte. Ich musste jeden Morgen vom Auto zur Bücherei hinübergehen, ohne Dewey zu sehen, der neben der Eingangstür saß und mir zuwinkte.
Als meine Kolleginnen von ihrem Abschied von Dewey in der Tierarztpraxis in die Bücherei zurückgekehrt waren, hatten sie entdeckt, dass der Heizkörper, vor dem Dewey noch an dem Vormittag geschlafen hatte, nicht mehr funktionierte. Es war, als habe er nun, da Dewey tot war, keinen Grund mehr, weiterzuheizen. Es dauerte sechs Wochen, bis ich in der Lage war, mich mit dem Gedanken zu befassen, den Heizkörper reparieren zu lassen.
Ich ließ Dewey zusammen mit seinem Lieblingsspielzeug »Marty Mouse« verbrennen, damit er nicht ganz alleine war. Das Tierkrematorium bot mir eine Holzkiste mit Messingplakette an, doch ich lehnte ab. Deweys Asche kehrte in einem einfachen Plastikbehälter in einem blauen Samtbeutel in die Bücherei zurück. Ich stellte den Behälter in meinem Büro ins Regal und wandte mich wieder meiner Arbeit zu.
Eine Woche nach unserem Gedächtnistreffen ging ich eine halbe Stunde, bevor die Bücherei aufmachte, aus meinem Büro zu Kay hinüber und sagte zu ihr: »Es ist Zeit!«
Es war Dezember und einer jener grausam kalten Wintermorgen, die für Iowa so typisch sind. Es war ein Morgen wie der, an dem wir Dewey gefunden hatten. Der kürzeste Tag des Jahres stand kurz bevor und die Sonne war noch nicht aufgegangen. Der Himmel war immer noch von einem dunklen Blau, das fast ins Violette spielte, und die Straßen waren menschenleer. Das einzige Geräusch war das Pfeifen des Windes, der durch die Straßen und über die abgeernteten Maisfelder wehte.
Unter den Steinen des kleinen Vorgartens der Bücherei suchten wir nach einer Stelle, an der der Boden weniger fest gefroren war. Doch die Erde war steinhart und Kay brauchte eine Weile, um das Loch zu graben. Die Sonne kam gerade hinter den hohen Gebäuden am anderen Ende des Parkplatzes hervor, als ich die sterblichen Überreste meines Freundes in die Erde legte und einfach nur sagte: »Du wirst immer bei uns bleiben, Dewey. Das hier ist dein Zuhause.«
Dann begann Kay, das kleine Grab vor dem Fenster der Kinderabteilung wieder zuzuschaufeln. Es lag zu Füßen der schönen Skulptur einer Mutter, die ihrem Kind aus einem Buch vorliest. Als Kay auf Deweys letzte Ruhestätte die Steine legte, die zuvor an der Stelle gewesen waren, schaute ich auf und sah, dass die übrige Büchereibelegschaft am Fenster stand und uns schweigend beobachtete.
Epilog
Deweys Vermächtnis
Im nordwestlichen Iowa kommt es selten zu größeren Veränderungen. Spencer hat einen neuen Bürgermeister bekommen, einen neuen Drogeriemarkt und einen neuen Schönheitschirurgen, aber die Stadt selbst ist die alte geblieben. Die Bücherei von Spencer machte ohne Büchereikatze weiter. Nicht, dass die Leute nicht versucht hätten, das zu ändern: Nach Deweys Tod wurden uns knapp hundert neue Katzen angeboten, und zwar nicht nur aus der Umgebung, sondern auch aus so weit entfernten Bundesstaaten wie Texas. Die Katzen waren niedlich und fast alle hatten bereits eine anrührende Geschichte hinter sich, aber wir konnten uns nicht vorstellen, eine zu nehmen. Wir konnten Dewey nicht einfach durch eine andere Katze ersetzen.
Doch die Erinnerung an Dewey lebt weiter. In der Bücherei hängen neben der Eingangstür sein Porträt und eine Bronzetafel. Die Kinder, die ihn kannten, werden ihren Kindern und Enkeln von Dewey erzählen. Und auch in diesem Buch lebt er fort, und deshalb habe ich es geschrieben.
Vor einigen Jahren gab Spencer ein Kunstwerk in Auftrag, das unsere Werte zum Ausdruck bringen und unsere historische Innenstadt würdigen sollte. Zwei Künstler, die sich auf Schmuckfliesen aus Ton spezialisiert hatten, verbrachten ein Jahr in der Gegend, sprachen mit uns,
Weitere Kostenlose Bücher