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Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Titel: Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenna Miscavige Hill , Lisa Pulitzer
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besondere Hemden aus ägyptischer Baumwolle, die nur für Führungskräfte vorgesehen waren, während alle anderen Hemden aus einer Baumwoll-Polyester-Mischung trugen. Auf ihrem CMO -Int-Jackett war nicht nur ihr Name eingestickt, es hatte auch Schulterklappen, die meine Mom deutlich sichtbar als Offizier auswiesen. Ihr Anblick inspirierte mich sehr. Sie hatte sich den Rang eines Lieutenant Junior Grade verdient, das war der dritthöchste Rang in der Sea Org.
    Ich zog mich ebenfalls an, weil Mom erklärte, ich würde mit zum WB kommen. Auf dem Parkplatz stiegen zahlreiche Angestellte in frisch gebügelten Hemden und dunklen Hosen in die Sea Org-Busse, die sie zur Base im Zentrum von Clearwater brachten. Die Hacienda Gardens lagen drei Meilen östlich davon, und da Sea Org-Mitglieder in der Regel keinen eigenen Wagen hatten, fuhren sie mit dem Bus zur Arbeit. Es waren zehn blau-weiße Busse, alle mit der schwarzen Aufschrift Flag auf der Seite, die die Angestellten zu den kircheneigenen Gebäuden brachten. Alle auf dem Parkplatz trugen Uniform, entweder weiße oder hellblaue Hemden und dunkelblaue Hosen oder hellbraune Hemden mit dunkelbraunen Hosen.
    In Clearwater war Scientology sehr präsent. Die Kirche besaß bereits viele Gebäude und erwarb ständig neue. Das Fort Harrison Hotel mit seiner mediterran anmutenden Architektur und den weißgetünchten Wänden war eines der Wahrzeichen in Clearwater. Es hatte eine prächtige Marmorlobby, elf Stockwerke, drei Restaurants – das Hibiscus, das Garden und das Lemon Tree –, einen Swimmingpool, einen Ballsaal, zahlreiche Büros und Auditing-Räume. Dort bekamen Außenstehende ihr Auditing.
    Auf derselben Straße wie das Fort Harrison stand das Coachman Building, wo alle Ausbildungskurse abgehalten wurden. Es hatte ein fünf Stockwerke hohes Glasatrium mit einem gewölbten Dach, das sich über das gesamte Gebäude erstreckte und es in zwei Hälften teilte. Die meisten Gebäude der Kirche befanden sich nicht weit entfernt voneinander und unterschieden sich in Schönheit und luxuriöser Ausstattung stark von der Ranch.
    Die Fahrt zu Moms Büro dauerte nur zehn Minuten, aber ich genoss es, im Wagen zu sitzen und die ganz normale Welt mit anderen Autos und Schnellstraßen zu beobachten. So etwas bekam ich sonst kaum zu sehen. Ich fand Florida mit seinen Palmen, den Einkaufsmeilen und den vielen geschäftig wirkenden Menschen viel aufregender als Hemet.
    Diese tägliche Fahrt mit Mom war eine der seltenen Gelegenheiten während meines Aufenthalts, an denen ich sie sah. Ansonsten traf ich sie nur noch zum Mittagessen und manchmal zum Abendessen und spätnachts, je nachdem, wann sie nach Hause kam. Ich fand es nicht seltsam, dass sie so viel zu tun hatte, schließlich bestand auch mein Leben fast nur aus Arbeit. Sie und Dad hatten zwar verschiedene Jobs und verschiedene Verantwortungsbereiche, aber ihre Hingabe an die Sache war die gleiche. Auch wenn ich eine lange Strecke zurückgelegt hatte, um sie zu sehen, änderte das nichts an ihrem Pflichtbewusstsein.
    Rückblickend fällt es mir schwer, das Leben meiner Mom auf der Flag und meines auf der Ranch in Einklang zu bringen. Unsere Erfahrungen unterschieden sich so stark, dass sie völlig unterschiedlichen Leben zu entstammen schienen. Es war schwer zu begreifen, dass sie als Mutter so viel komfortabler lebte als ihr Kind. Das betraf nicht nur die offensichtlich anderen Lebensumstände, sondern auch die Freiheit, die sie in Clearwater hatte und die es auf der Ranch einfach nicht gab. Sie musste weder körperlich arbeiten, noch wurde sie täglich mit dem E-Meter gecheckt oder angeschrien. Sie brauchte auch nicht jedes Mal um Erlaubnis zu fragen, wenn sie auf die Toilette musste, was ich, aus reiner Gewohnheit, bis zum heutigen Tag tue.
    Sie hat es sicher nicht so empfunden. Für sie war das weder Vernachlässigung noch Bevorzugung gegenüber ihren Kindern. Sie hatte sich einer Sache verpflichtet, die größer war als sie oder ihre Familie, und nahm nun alle Konsequenzen auf sich. Sie ging wirklich davon aus, dass wir auf der Ranch gut versorgt waren, obwohl sie nie nachfragte, wie mein Leben dort wirklich war. Wenn sie es wusste, dann muss sie wohl damit einverstanden gewesen sein.
    Als ich mitbekam, wie ihr Leben in der Flag aussah, empfand ich weder Groll noch Neid. Ich wollte mich vielmehr darum bemühen, eine Möglichkeit zu finden, die Ranch zu verlassen und wie meine Mutter zu leben. Für mich war die Reise die

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