Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
jede Dienstleistung in Rechnung gestellt werden.
Der Supervisor für diesen Kurs war eine blonde Frau Mitte zwanzig namens Nikki. »Du musst Jenna sein!«, sagte sie, als sie zu mir trat. »Willkommen!« Daraufhin verabschiedete sich Alison und sagte, sie würde mich zur Mittagspause wieder abholen.
Ich sah mich gerade nach einem Stuhl um, als ein Mädchen, das etwa ein, zwei Jahre älter war als ich und lange braune Haare und strahlend blaue Augen hatte, zu mir kam und sich vorstellte. Es war Diane, mein Zwilling. Weil sie sehr deutlich sprach und mich durchdringend anstarrte, erkannte ich, dass ihre Stimme und ihr Blick scientologisch korrekt waren. Sie wirkte klug und sehr gut erzogen, und als wir unsere Kontrollbögen ausfüllten, bemerkte ich, dass ihre Handschrift perfekt war.
Nikki gab uns ein Buch, in dem Konzepte nicht durch Wörter, sondern durch Bilder erklärt wurden. Es gab zwei Hauptfiguren: Joe und Bill. Einer von beiden hatte Probleme und Misserfolge, der andere half ihm – und umgekehrt. Damit sollte das Zwillingsprinzip illustriert werden. Im gesamten Buch waren keine Wörter zu finden, nur Illustrationen.
»Warum hat es denn keine Wörter?«, fragte ich Diane flüsternd.
»Ohne Wörter kann es auch keine missverstandenen Wörter geben«, erklärte sie. Offenbar hatte LRH den Kurs so gestaltet, um Menschen zu helfen, die Bedeutung von Konzepten zu erfassen, ohne an Definitionen zu kleben.
Nachdem wir das Buch bearbeitet hatten, gab uns Nikki ein zweites, in dem gezeigt wurde, wie man scientologische Konzepte durch Kunsthandwerk darstellen konnte. Auch hier standen nur wenige Begriffe, die genau definiert wurden. Diane und ich saßen bei dieser Übung mit einem Eimer Ton und ein paar Töpferwerkzeugen an einem Tisch. Diane hatte zusätzlich noch einen Stapel Papier und einen Stift. Sie sollte der Auditor sein, und Nikki wies sie an, mir Fragen zu stellen und meine Antworten zu notieren. Nikki sah zu, wie Diane unsere Namen auf den oberen Rand des Blattes schrieb.
»Hast du Hunger?«, fragte Diane.
»Nein«, antwortete ich.
»Gut«, sagte Diane und notierte meine Antwort auf dem Arbeitsblatt. »Bist du müde?«, fragte sie als Nächstes.
»Nein«, antwortete ich.
»Gut.« Auch das wurde notiert. Es waren die üblichen Fragen, mit denen man jede Auditing-Sitzung begann. »Gibt es irgendeinen Grund, nicht mit dieser Sitzung anzufangen?«, fragte sie.
»Wir haben eine Sitzung?«, entgegnete ich leicht überrascht.
»Ja, die, die wir gerade im Buch durchnehmen.«
»Ach so.«
Diane wiederholte die Frage. »Gibt es irgendeinen Grund, nicht mit dieser Sitzung anzufangen?«
»Ich glaube nicht«, antwortete ich.
»Dies ist die Sitzung!«, sagte sie ungewöhnlich laut und starrte mich besonders durchdringend an. Dieser laute Ton wurde von ihr erwartet, genau so begann jede scientologische Sitzung. Jetzt notierte sie die Uhrzeit auf dem Arbeitsblatt.
Nikki erklärte, wir würden nun mit dem Ton auf unserem Tisch arbeiten.
»Formt aus Ton eine Darstellung des Begriffspaars Kraft/Gegenkraft«, verlangte sie.
Ich folgte den Anweisungen des Buchs und versuchte, möglichst deutlich dieses Konzept darzustellen. Dazu formte ich kleine Männchen aus Ton und versah sie mit Etiketten. Als ich fertig war, hob Diane die Hand, sodass Nikki das Ergebnis überprüfen konnte. Als sie es abgesegnet hatte, kam das nächste Begriffspaar: Absicht/Gegenabsicht.
Nach jedem Schritt fragte mich Diane, ob ich irgendwelche Gewinne hätte. Normalerweise waren meine Gewinne »Ich fühle mich besser« oder »Meine Probleme erscheinen mir nicht mehr so groß« oder »Ich habe nicht so viele Probleme, wie ich dachte«. Ich lernte rasch, dass Gewinne einen Vorteil hatten: Damit konnte man am schnellsten eine Sitzung beenden. Sobald man einen großen Gewinn mitteilte, war die Sitzung vorbei. Die jetzigen Clay Table -Darstellungen mussten wir immer mit einem Gewinn beenden.
Wie versprochen holte Alison mich zur Mittagspause ab, und wir fuhren zu Moms Büro. Die Begeisterung ihrer Mitarbeiter über mein Clay Table-Auditing war ziemlich aufbauend, zumal ich nicht gewohnt war, dass sich jemand so dafür interessierte, was ich tat. Nach dem Mittagessen ging es bis zum Abend zurück in den Kursraum. Danach aß ich mit Mom und Tom im WB zu Abend. Später brachte mich Tom auf Moms Bitte hin nach Hause. Wie üblich sollte sie erst gegen ein, zwei Uhr morgens nach Hause kommen.
Als Tom mich an der Wohnung absetzte, wartete schon
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