Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
Anspruch nahmen. Es war ein ausgezeichnetes Hotel mit drei Restaurants und über zweihundert Zimmern, mit einem überwältigenden Kursangebot und einer hohen Dichte an Scientologen. Steve, ein Sea Org-Mitglied, arbeitete im Hibiscus, und unser Essen war eigens nach unseren Wünschen zubereitet worden. Mir gefiel die Idee, dass wir alles bestellen konnten, was wir wollten.
Kaum hatte Valeska den Tisch gedeckt, kamen die Erwachsenen herein. Sie unterhielten sich, aber ich war so mit meinem Hamburger beschäftigt, dass ich kaum auf sie achtete. Noch nie hatte ich einen so leckeren Hamburger gegessen. Tom schien es auch zu schmecken. Meine Mom hatte Fisch in einer fluffigen Pastete, und ihr Teller war mit einem kleinen Petersilienzweig garniert.
Am Abend bat Mom Tom, mich nach Hause zu fahren. Ich war enttäuscht, dass sie nicht mitkommen konnte, fühlte mich aber bei Tom sehr wohl. Er war lustig und nett, und ich verstand mich ziemlich gut mit ihm. Als wir in die Wohnung kamen, entdeckte ich zu meiner Freude, dass jemand meinen Koffer ausgepackt hatte. Und noch besser war, dass Mom eine Flasche von ihrem Blumenshampoo in mein Bad gestellt hatte.
Als ich es mir gemütlich gemacht hatte, kam Sharni herein und erzählte mir, wie meine Woche weiter verlaufen würde.
»Wie du weißt, hat deine Mom viel zu tun, Jenna«, begann sie. »Sie hat einen langen Arbeitstag, daher werde ich mich ein bisschen um dich kümmern, während sie arbeitet.«
Zuerst war ich etwas niedergeschlagen, dass ich meine Mom nicht so häufig sehen würde, wie ich gehofft hatte. Andererseits sah ich sie schon weitaus häufiger, als ich es gewohnt war. Sharni nahm mich mit nach unten zum Pool, um ein wenig zu schwimmen. So viel Freizeit war mir neu, aber ich genoss es. Als wir wieder trocken waren, ging sie mit mir sogar in die Kantine, um ein Eis zu kaufen. Während wir unser Eis aßen, zeigte sie mir Spencer, einen Jungen, für den sie schwärmte. Er wirkte ein bisschen dämlich, allerdings war mir die Vorstellung, für Jungen zu schwärmen, auch völlig neu. Auf der Ranch durften Mädchen keinen Freund haben. Ausgehen durfte man nur, wenn man alt genug war, um auch zu heiraten, also waren Schwärmereien überflüssig. Flirten konnte einen in Schwierigkeiten bringen und sogar für eine Rückstufung in den Ethik-Zuständen sorgen.
Am späten Nachmittag gingen Sharni und ich wieder hinauf in die Wohnung. Ich rief meine Mom im Büro an und erklärte, ich würde früh schlafen gehen. Ich hoffte, dass sie schon bald nach Hause käme. Ich wollte nicht nur mit ihr zusammen sein, sondern hatte ehrlich gesagt auch Angst, allein zu schlafen. Zwar gab es in Florida keine Kojoten, trotzdem war es mir unheimlich, normalerweise schlief ich nachts mit sieben anderen Mädchen in einem Zimmer. Mom musste noch arbeiten, aber Sharni war bereit, noch eine Weile bei mir zu bleiben. Mom kam immer so spät nach Hause, dass ich sie erst am nächsten Morgen wieder sah.
Am nächsten Tag wurde ich von Sharni geweckt. Sie schüttelte sanft meine Schulter und flüsterte: »Aufstehen«. Das war etwas ganz anderes als der übliche ohrenbetäubende Weckruf auf der Ranch. Außerdem hatte ich ausschlafen dürfen, es war schon acht Uhr.
Ich ging in die Küche und entdeckte, dass meine Mom im Bademantel vor dem Fernseher saß. Ich war etwas überrascht, dass sie so gemütlich fernsah, weil es eigentlich gegen die Sea Org-Regeln verstieß, zumindest in der Int. Sie sah sich irgendwelche Musikvideos auf VH1 an und erzählte mir, das sei ihr Lieblingsprogramm, das sie jeden Morgen beim Frühstück sehe. Für mich war Fernsehen das Allergrößte. Eigentlich durfte ich am Wochenende, aber tatsächlich hatte ich seit meiner Abreise aus L. A. nicht mehr ferngesehen.
Sharni hatte eine Schüssel mit warmem Getreidebrei, einen Teller mit zwei pochierten Eiern und Toastbrot auf den Esszimmertisch gestellt. Auf der Ranch durften nur Erwachsene Toastbrot essen, weil es nur einen Toaster gab. Als ich gefrühstückt hatte, machte sich Mom in ihrem Zimmer fertig. Ich sah ihr zu, wie sie ihre Haare föhnte und aufdrehte. Sie war so hübsch und sah so modern aus, ich bewunderte alles an ihr, als wäre sie ein Filmstar mit einem glamourösen Leben in Florida, von dem ich keine Ahnung hatte. Ihr Leben bestand aus Arbeit und Freunden, sie wurde bedient und umsorgt, verwöhnte sich selbst und arbeitete hart für das höhere Wohl.
Als ihre Frisur fertig war, zog sie ihre Uniform an. Sie trug
Weitere Kostenlose Bücher