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Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Titel: Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenna Miscavige Hill , Lisa Pulitzer
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Bestätigung dafür, dass man in der Sea Org tatsächlich ein vollkommen anderes Leben führen konnte. Was ich von meiner Reise vor allem in Erinnerung behielt, war der Luxus. In der Int Base durfte mein Vater seine eigene Bettdecke haben oder Kekse, wann immer er welche wollte – das war beides auf der Ranch verboten. Meine Mom hatte in ihrer Wohnung nicht nur das, sondern viel, viel mehr.
    Wie ich schon lange vermutet hatte, bestand das Leben in der Sea Org nicht nur aus Decks und dem endlosen Clearing von Begriffen. Auf mich wartete eine bessere Zukunft. Ich musste nur meine Pflichten erfüllen, dann würde ich auch irgendwann die Ranch verlassen können. Moms Leben in Clearwater hatte mir einen kleinen Einblick in meine eigene Zukunft gegeben, und Bäumepflanzen und Steineschleppen gehörten dazu sicherlich nicht. Ich glaubte, wenn ich nur hingebungsvoll und hart genug arbeiten würde, könnte mein Leben irgendwann auch so aussehen.
    Letztlich hatte ich eine wunderbare Woche in Florida. Ich verbrachte die meiste Zeit mit Sharni, mit der ich gerne zusammen war, und mit Grandma Loretta, die mir einen Karaoke-Apparat schenkte. Da ich die streng durchgeplante Routine auf der Ranch hasste, wäre mir jede Pause willkommen gewesen, aber die vielen Annehmlichkeiten – das großartige Essen, das Schwimmen im Pool, das schöne Zimmer in der Hacienda – ließen meine Ferien einfach sensationell werden. Das Beste von allem jedoch war, dass es keine Decks gab. Ohne schlechtes Gewissen genoss ich die freie Zeit und wünschte nur, die Woche möge nie enden.
    Die Rückkehr zur Ranch war schwer. Es gab keine Eingewöhnungsphase, am ersten Abend musste ich mir bereits mit sechzehn Mädchen ein Bad teilen. Der nächste Morgen war noch schlimmer: Uniform, Schlafsaalinspektion, Decks und die übliche Routine. Glücklicherweise hörte ich nach nur wenigen Wochen, dass ich wieder verreisen würde: Meine ganze Familie wollte nach Pennsylvania, um den sechzigsten Hochzeitstag meiner Urgroßeltern zu feiern. Dad und ich flogen aus L. A. ein, und da Justin gerade in Florida bei Mom war, kamen sie zusammen. Alle waren da: Grandpa Ron und seine Frau Becky, Onkel Dave und Tante Shelly, Dads Schwestern Lori und Denise mit ihren Familien.
    Nach der Feier machten Mom, Dad, Justin und ich zum ersten Mal gemeinsam Urlaub. Zuerst ging die Reise zum Knoebels Amusement Resort in Pennsylvania, wo ich zum ersten Mal in meinem Leben Pirogen aß. Obwohl ich in Gegenwart von Wogs immer etwas gehemmt war, hatte ich bei den seltenen Ausflügen der Ranch zumindest gelernt, wie ich mich verhalten musste. Ob wir nun in Disneyland oder im Ballett waren, immer hatte man äußerst sorgfältig darauf geachtet, dass wir so wenig wie möglich mit der Wog-Welt in Kontakt kamen. Im Freizeitpark Knoebels war das zwar etwas anderes, da ich nur mit meiner Familie zusammen war, aber ich genoss meine Freiheit sehr.
    Dann fuhren wir weiter nach Osten und aßen in einem Restaurant Meatball Heroes, die ihren Namen dem Außenfeldspieler Lenny Dykstra von den Philadelphia Phillies verdankten. Weiter ging es quer durch den Staat New York und dann nach Nordosten durch Vermont nach New Hampshire, wo wir bei Tante Lori und ihrer Familie und Dads Mutter, Grandma Loretta, wohnten, und zwar genau in dem alten Haus, das meine Eltern verlassen hatten, als sie zur Sea Org gegangen waren.
    Als ich mich im Haus umsah, stellte ich mir vor, wie mein Leben wohl ausgesehen hätte, wenn meine Eltern hiergeblieben wären. Unsere Verwandten waren alle öffentliche Scientologen, und ich wäre wohl genau wie sie aufgewachsen. Hier wäre mein Zuhause gewesen. Als ich das Zimmer meiner Cousine Chrissie sah, dachte ich, das wären wohl mein Zimmer und mein Bett gewesen, und auch ihr Schrank mit den Rüschenkleidern in allen Farben wäre wohl meiner gewesen. Ihr Leben hätte meines sein können.
    Neben all den Unterschieden gab es aber noch ein paar Kleinigkeiten, die mir besonders auffielen: In New Hampshire wohnten wir auch bei Tante Denise, deren Haus einfach umwerfend war. Taylor und Whitney, Denise älteste Töchter, hatten ein unglaubliches Schlafzimmer mit riesigen Panoramascheiben und Dachfenstern, dazu unzählige Puppen und einen eigenen Fernseher. Es kam mir vor wie das reinste Paradies, aber ich war nicht neidisch, ich vergaß meinen Platz in der Kirche nie. Ich wuchs als Sea Org-Mitglied heran und hatte eine Mission zu erfüllen, die weitaus bedeutender war als der Besitz von Spielzeug.

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