Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
was als Nächstes kam.
»Wohne ich nicht in Block L?«, fragte ich verwirrt.
Lachend antwortete er: »Nein, der ist für die Führungskräfte der Int gedacht.«
»Ach«, sagte ich und fragte mich plötzlich, worauf ich mich da eingelassen hatte. Ich war die ganze Zeit davon ausgegangen, auf der Flag zu wohnen. Dass ich nicht in Moms Wohnung, sondern in einem Wohnheim unterkommen sollte, war mir nicht mal in den Sinn gekommen.
Wir stiegen aus, holten mein Gepäck aus dem Kofferraum und gingen zur Tür der Wohnung H-2 im Erdgeschoss. Ich erinnerte mich, dass Valeska hier früher gewohnt hatte, aber jetzt war sie nicht da. Tom erklärte mir, sie sei nicht mehr in der CMO und habe deshalb ein anderes Quartier. Mehr erzählte er nicht, und ich fragte nicht nach. Er wirkte so in Eile, dass ich ihm sagte, ich würde jetzt auspacken und mich ein bisschen ausruhen. Daraufhin verschwand er.
Block H war ein Wohnheim für weibliche CMO -Mitglieder. Die meisten von ihnen waren fünfzehn oder sechzehn, aber nicht zwölf wie ich. Das Apartment H-2 hatte eine kleine Küche, ein Bad und zwei Schlafzimmer, die sich jeweils drei Mädchen teilten. Diane, mein alter Zwilling aus dem ersten Key to Life-Kurs wohnte ebenfalls hier und war eine meiner Zimmergenossinnen. Es schien den Mädchen nicht ganz einzuleuchten, wieso ich bei ihnen wohnen sollte, da ich ihnen erklärte, ich wäre erst Kadett, und Kadetten lebten nicht in CMO -Quartieren, sondern in der Cadet Org. Ich sagte nur, ich wisse den Grund dafür auch nicht. Eigentlich hatte ich gedacht, ich würde in Moms Wohnung leben, und mich schon darauf gefreut. Aber jetzt war ich auf mich allein gestellt.
Ich ging ins Bad, um kurz zu duschen. Währenddessen klopfte eines der Mädchen fünfmal an die Tür und schrie, ich sollte mich beeilen. Als ich herauskam, schimpfte sie, ich hätte zu lange gebraucht. Das fand ich ziemlich unfreundlich gegenüber einem Neuankömmling. Ohne ein Wort zu sagen, ließ ich sie einfach stehen. Als ich mich kurz hinlegen wollte, sah ich, dass mein Bett noch nicht bezogen war. Ich traute mich nicht zu fragen, brach vor lauter Dankbarkeit aber fast in Tränen aus, als Diane meinte, ich bräuchte noch Bettwäsche und sie würde mir zeigen, wo ich die bekäme. Ich wusste immer noch nicht, wohin ich danach sollte. Tom hatte mir nichts gesagt. Das war kein vielversprechender Anfang, und plötzlich dämmerte mir, dass es möglicherweise ein großer Fehler gewesen war, zur Flag zurückzukommen.
Eine halbe Stunde lang wälzte ich mich unruhig auf dem Bett hin und her, bis ich beschloss, zu Dons Wohnung in Block H zu gehen, um nachzufragen, ob er wusste, wohin ich sollte. Er war der einzige Mensch, von dem ich wusste, wo er wohnte. Er wirkte auch aufrichtig erfreut, mich zu sehen, und umarmte mich. Zwar sagte er, er habe auch keine Ahnung, wolle aber mit mir zum WB , wo sicherlich jemand Bescheid wisse. Don fuhr einen weißen Mustang Cabrio, laut meiner Mutter ein cooler Wagen, aber ich hatte keine Ahnung von Autos.
Im WB ging ich schnurstracks zu Toms Büro im dritten Stock. Er begrüßte mich herzlich und wies einen seiner Messenger an, mir eine Uniform zu besorgen. Ich war verblüfft, als die Frau mit der blauen Uniform zurückkam, die alle Sea Org-Mitglieder trugen. Eigentlich war ich doch für einen Auditoren-Kurs hier, warum bekam ich jetzt eine Sea Org-Uniform? Doch bevor ich Tom danach fragen konnte, reichte mir sein Messenger schon die dunkelblaue Hose, das hellblaue Hemd mit Epauletten und ansteckbarer Krawatte sowie flache, schwarze Schuhe. Auf dem Namensschild stand Jenna Miscavige – Trainee, CMO Clearwater , also war die Sache mit der Uniform offensichtlich kein Irrtum. Ich würde die CMO -Ausbildung durchlaufen, um Auditor zu werden.
Die Sea Org war immer mein großer Traum gewesen, und ich hatte geplant, in die CMO zu gehen. Jetzt war ich plötzlich dabei. Allerdings hatte ich das alles hauptsächlich gewollt, um mit meinen Eltern, Freunden und Verwandten auf der Int zu arbeiten, doch die waren dreitausend Meilen weit weg. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte.
Am seltsamsten fand ich, dass ich noch gar nicht die notwendigen Stufen durchlaufen hatte, um in die Sea Org zu kommen. Vor allem die EPF stand noch aus: die Estate Project Force , das Aufnahmeritual für die Sea Org. Jeder, der ein Sea Org-Mitglied werden wollte, musste in die EPF , eine Art Boot Camp, in der es ein paar Intensivkurse und viel körperliche Arbeit gab. Außerdem
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