Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
Hause, ging zu Valeska und nur zum Schlafen in mein eigenes Zimmer. Wenn ich mitten in der Nacht Angst bekam, konnte ich immer noch durch den Wohnkomplex zu Valeskas Zimmer rennen und zu ihr ins Bett kriechen. Zwar musste ich mich jetzt selbst um meine Wäsche kümmern, hatte aber keine Ahnung, wie, weil das auf der Ranch immer von einem der Kinder übernommen wurde. Valeska half mir, meine Uniformhemden zu waschen und zu bügeln, und zeigte mir, wie es ging. Ich wusste nicht, was ich ohne sie getan hätte.
Nach ein paar Wochen verschwand Valeska plötzlich ohne ein Wort des Abschieds. Sie tauchte so abrupt unter, dass ich mir wirklich Sorgen machte. Später hörte ich, sie sei auf die Freewinds abbeordert worden, damit es für ihre Mutter noch schwieriger würde, mit ihr Kontakt aufzunehmen.
Meine Rückkehr zur Flag war ganz anders, als ich gedacht hatte. Weder meine Wohnsituation oder mein Tagesablauf noch meine Kurse oder Freunde entsprachen dem, was ich mir vorgestellt oder bei früheren Aufenthalten erlebt hatte. Während der drei vorherigen Reisen zur Flag war ich vor allem deswegen so begeistert gewesen, da ich am Lebensstil und der Freizeit meiner Mom hatte teilhaben können. Nun musste ich ohne all das auskommen und fühlte mich verloren, ich wusste nicht, ob ich zu den anderen passte und ob ich das überhaupt wollte. Früher war mein Wunsch, der Sea Org beizutreten, von der Flag nur verstärkt worden. Doch jetzt stellte ich mir die Frage, ob ich wirklich zur CMO wollte. Vielleicht hatte ich mich geirrt. Ich war zwölf und durfte bei Entscheidungen, die den Rest meines Lebens beeinflussen würden, keine Fehler machen.
Die Kursarbeit bereitete mir immer Sorgen, weil ich völlig überfordert war. Ich tat alles nur Mögliche, um ihr zu entkommen. Am liebsten versteckte ich mich in einer Toilette oder tat so, als müsste ich etwas in der Bibliothek nachschlagen.
Eines Tages kam Tante Shelly, die gerade mit Onkel Dave in der Stadt war, in der Kantine auf mich zu und bat mich, mit ihr zum Speisesaal für Führungskräfte zu kommen. Auf dem Weg dorthin fragte sie mich, wie meine Tage verliefen. Ich erzählte, ich würde die meiste Zeit studieren und während der Mahlzeiten und abends mit der Küchencrew zusammen sein. Sie wirkte entsetzt, als sie das hörte, doch sie verstand, dass ich es nicht besser wusste.
»Weißt du, Jenna«, sagte sie kopfschüttelnd, »du hättest überhaupt nicht erst zur Flag kommen dürfen. Von nun an wirst du nur noch Zeit mit der CMO verbringen, und zwar ausschließlich. Du wirst zu CMO -Appellen gehen und ein Teil dieser Gruppe werden. Mitglieder der CMO treiben sich nicht mit Küchenpersonal herum.«
Das nahm ich mir zu Herzen. Nach dem Essen zog mich auch Dons Frau Pilar beiseite, die man beauftragt hatte, mir bei der Eingewöhnung zu helfen. Sie sagte mir ins Gesicht, ich sähe in meiner Uniform ganz furchtbar aus und müsste mir eine passende besorgen. Direkt nach diesem Tadel schenkte sie mir mehrere ihrer eigenen Hemden aus ägyptischer Baumwolle, die nur für Führungskräfte vorgesehen waren. Ich fand es etwas verwirrend, dass sie in der einen Minute so gemein und in der nächsten so nett sein konnte. Obwohl die Hemden gebraucht waren, freute ich mich sehr. Sie wurden als die besten angesehen, und ich wusste, ich konnte mich glücklich schätzen, welche tragen zu dürfen. Nach diesen beiden Zurechtweisungen ging ich nach jeder Mahlzeit zum CMO -Appell, genau, wie Tante Shelly angeordnet hatte. Ich bekam auch einen Platz an einem ihrer Tische, was mir den Druck nahm, mir selbst einen zu erobern.
Eines Tages, nicht lange nach meiner Ankunft in Clearwater, sickerte beim Morgenappell die Neuigkeit durch, dass Don Jason abgehauen war. Abzuhauen und aus der Kirche auszutreten, war bei Scientology genauso skandalös wie Verrat. Niemand hatte etwas von ihm gehört, und wie alle anderen um mich herum war ich vollkommen geschockt. Er war eine der wichtigsten Führungskräfte auf der Flag gewesen. Noch wenige Tage zuvor hatte ich ihn in seinem Büro getroffen, und da hatte er vollkommen normal gewirkt. Er hatte mir verraten, dass er auf Moms Bitte hin auf mich aufpassen wollte, was ich sehr nett von ihm fand.
Diese Neuigkeit sorgte für unerhörten Aufruhr. Am liebsten hätte ich Mom angerufen, weil ich wusste, dass sie und Don Freunde gewesen waren, aber ich durfte die Telefone auf dem Stützpunkt nicht benutzen. Für das Telefonsystem auf der Flag brauchte man einen besonderen
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