Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
Code, den ich nicht kannte, daher benutzte ich mein eigenes System, um zu Hause anzurufen: Abends, wenn Tom und Jenny noch arbeiteten, schlich ich mich in ihre Wohnung und telefonierte von dort aus. Ich fragte irgendein Sea Org-Mitglied, wer den Hauptschlüssel für das Quartier hatte, und schloss damit auf. Der Zuständige vertraute mir, weil er mich von meinen früheren Aufenthalten her kannte und mich schon mit Mom, Sharni und Valeska zusammen gesehen hatte. Er wusste auch, dass ich in der CMO war, also dachte er wohl, ich würde den Schlüssel für die Wäsche oder so benutzen. Tom hatte mir zwar einmal angeboten, ich könnte jederzeit von seiner Wohnung aus telefonieren, aber ich wusste, dass ich seine Großzügigkeit ziemlich ausnutzte. Doch was sollte ich sonst tun?
Am Abend, nachdem die Bombe geplatzt war, schlich ich in Toms Wohnung und rief in Kalifornien an. Ich erreichte Mom über den Empfang des RTC und sagte ihr nur, wie gerne ich wieder nach Hause wollte. Sie schien das von Don bereits erfahren zu haben. Ich erzählte, dass ich traurig wäre und mich für die CMO ungenügend vorbereitet fühlte. Mom war erstaunlich mitfühlend und meinte, sie würde für mich bei der nächsten Gelegenheit einen Rückflug nach Kalifornien buchen.
Zwei Tage später, an einem Mittwoch, hörte ich von Mom, dass ein Flug arrangiert worden war, daher packte ich meine Sachen zusammen und machte mich abreisefertig. Ich schlich mich in die Küche und buk mit Hilfe einer befreundeten Köchin einen Kuchen als Mitbringsel für meine Mom. Ich hatte mich schon von meinen Freunden verabschiedet, die als Stewards arbeiteten, und wartete in der Küche darauf, entweder von Tom oder jemand anderem zum Flughafen gebracht zu werden, als das Küchentelefon klingelte.
Meine Freundin, die Köchin, wirkte leicht besorgt, als sie es mir reichte. Ich erkannte sofort die Stimme von Mr. Sondra Phillips, einem hochrangigen Offizier in der CMO . Sie befahl mir, unverzüglich zum WB zu kommen. Als ich ihr erklärte, ich sei auf dem Sprung zum Flughafen, um einen Flug zu erwischen, antwortete sie, es habe eine Planänderung gegeben und ich solle sofort zu ihr kommen.
Entnervt und besorgt schleppte ich meine Koffer den ganzen Block zum WB , ging hinauf und fand Mr. Phillips, die mich in ein kleines Büro führte und die Tür hinter uns schloss. Dann schrie sie mich auf einmal mit hochrotem Kopf so heftig an, dass mir Spucketröpfchen ins Gesicht sprühten. Ich fasste es nicht. Sie brüllte, ich sei unethisch – oder vielmehr out-ethics – und es heiße, ich sei eine schrecklich schlechte Studentin, die sich vom Rest der Gruppe absondere und ständig die Regeln brechen würde. Sie beendete ihre Schimpftirade mit der Bemerkung, ich würde auf keinen Fall nach Hause fahren, sondern müsse lernen, mich zusammenzureißen, weil ich jetzt ein Sea Org-Mitglied sei.
Das alles kam wie aus dem Nichts. Gerade als ich ihr meine Meinung sagen wollte, tauchte Jenny, Toms Frau, auf und befahl Mr. Phillips zu gehen, da sie sich um die Angelegenheit kümmern würde. Jenny war zum Commanding Officer der CMO Clearwater befördert worden, daher war ich überzeugt, sie würde alles wieder in Ordnung bringen. Ganz gewiss würde sie mir helfen, noch meinen Flug zu erwischen.
Doch zu meinem Entsetzen verkündete Jenny mir ebenfalls, ich würde bleiben, und ich sah ihr an, dass das ihr voller Ernst war.
»Wieso?«, fragte ich völlig fassungslos.
»Weil es so ist«, antwortete sie abweisend. »Du bist hierhergekommen, um Auditor zu werden, also werden wir dich dazu ausbilden.«
Ich wollte widersprechen, doch sie brachte mich zum Schweigen und zitierte dann eine Passage aus LRH s Grundsatzschreiben Wie Scientology funktioniert .
»Wenn jemand sich verpflichtet, dann gilt das für die Dauer des Universums – ein unverbindliches Annähern darf nicht geduldet werden. Sollte jemand gehen wollen, muss er es sofort tun. Wenn er sich verpflichtet hat, ist er an Bord, und es gelten dieselben Regeln für ihn wie für alle: gewinnen oder bei dem Versuch sterben … Wir sehen dich lieber tot als unfähig … Die gesamte Zukunft dieses leidgeprüften Planeten, jeder Mann, jede Frau und jedes Kind hängen, genau wie dein eigenes Schicksal, für die nächsten Jahrmilliarden davon ab, was du hier und jetzt in und mit Scientology tust …«
So übertrieben das jetzt wirkt, damals glaubte ich wirklich, dass die Zukunft des Planeten in meinen zwölfjährigen Händen ruhen würde.
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