Mein Geliebter aus den Highlands
frei waren.
Er fluchte halblaut. Bis zur Freiheit war es noch ein langer Weg. Wenn sie ihrem Gefängnis entkommen waren, mussten sie auch noch einen Weg aus der Burg finden. Gregor hatte kaum etwas von den Örtlichkeiten gesehen, als er hierher verschleppt worden war, und auch Alana hatte nur kurze Blicke darauf erhaschen können. Sie mussten also auf ihr Glück vertrauen. Und dass darauf Verlass war, bezweifelte Gregor stark, wenn er sich seine Lage vor Augen führte. Schließlich stand er in einem Erdloch, in dem er über eine Woche gefangen war, und zu allem Überfluss war er mehr oder weniger mit einer Frau verlobt, die er nicht mehr heiraten wollte.
Warum er plötzlich so zögerte, Mavis zu heiraten, wusste er allerdings nicht. Er hätte sich gern damit beruhigt, dass er zu viel Zeit zum Nachdenken gehabt hatte, und dass jeden Junggesellen vor seiner Vermählung Zweifel befielen. Aber er wusste, dass das nicht alles war. Was er wirklich wollte, war das, was sein Bruder und sein Cousin hatten – eine Gefährtin, mit der er sich im Herzen, im Geist und in der Seele verbunden fühlte. Eigentlich hatte er gedacht, dass er sich damit abgefunden hatte, eine solche Frau nicht zu finden, doch das stimmte offenbar nicht. Mavis war eine gute Frau, die ihm Land und Geld bringen würde, aber sie war nicht seine wahre Gefährtin.
Nachdenklich starrte Gregor auf das unsichtbare Loch in der Decke seines Gefängnisses. Er hatte das merkwürdige Gefühl, dass seine wahre Gefährtin dort oben im Dunkeln herumkroch und leise fluchte. Im Grunde war ihm klar, dass sie nicht das junge Mädchen war, das zu sein sie vorgab. Ihre Gedanken und ihre Art, sich auszudrücken, waren viel zu reif dafür. Auch wenn sie sich beide bemüht hatten, jeden Hinweis auf ihre wahre Identität zu vermeiden, hatten sie sich einiges aus ihrem Leben erzählt. Und aus Alanas Berichten ging deutlich hervor, dass sie nicht erst zwölf oder dreizehn Jahre auf der Welt sein konnte. Wenn er sich irrte, könnte das natürlich sehr peinlich sein. Kein Mann ging gern davon aus, dass seine wahre Gefährtin ein Kind war, das sein eigenes hätte sein können. Er wollte jedenfalls nicht herausfinden, dass er schon mehrmals sehr lüstern von einem Kind geträumt hatte.
»Gregor! Tretet lieber ein bisschen zur Seite!«
Nay, das war nicht die Stimme eines Kindes, beschloss er. »Warum? Decken können mir nichts anhaben.«
»Ich werde keine Decken herablassen, sondern das Seil, mit dem sie immer die Eimer ausgetauscht haben. Dieses Seil ist ziemlich dick. Außerdem habe ich es nicht geschafft, den Knoten um den Eimer an seinem Ende zu lösen.«
Gregor wich rasch zurück. Kurz darauf hörte er, wie der Eimer heruntergelassen wurde. Er hob die Hände gerade noch rechtzeitig hoch, um das schaukelnde Ding davon abzuhalten, an seinen Kopf zu knallen. Alana war klug. Sie war eine gute Gefährtin und nachts eine Quelle sehr angenehmer Wärme, dachte er, während er den Eimer entknotete. Aber sie konnte der Gesundheit eines Mannes auch ziemlich abträglich sein. Er hatte ihr jedenfalls etwas zu verdanken, was ihm noch keine andere Frau verpasst hatte – eine Menge Blutergüsse.
Er knotete die Sachen, die sie gepackt hatten, ans Ende des Seils. »Zuerst kommen unsere Vorräte, Mädchen. Wenn du sie abgenommen hast, lässt du das Seil wieder herunter, und ich klettere daran hoch.«
Alana zog das Seil zu sich heran. Sie krümmte sich, weil ihr die Hände wehtaten. Es dauerte eine Weile, bis sie Gregors einfachen Knoten gelöst hatte, weil ihre Finger ungelenk vor Schmerzen waren und etwas rutschig von Blut. Nachdem sie das Seil wieder herabgelassen hatte, brachte sie ihre Vorräte in Sicherheit. Dann suchte sie nach etwas, womit sie ihre geschundenen Hände verbinden konnte. Sie hoffte nur, dass sie nicht so übel zugerichtet waren, wie sie sich anfühlten. Eine sorgfältige Reinigung und Pflege der Wunden musste erst einmal warten.
Schließlich riss sie ein paar Streifen von ihrem Hemd ab und wickelte sie sich um die Hände. Dann hörte sie, wie Gregor sich aus dem Loch zog und das Gitter wieder darüber schob. Beinahe hätte sie ihm gesagt, sie glaube nicht, dass die Gowans sich lange davon täuschen lassen würden, doch dann unterließ sie es. Wahrscheinlich war es ratsam, die Luke abzudecken, denn nun mussten sie sich in der Finsternis auf die Suche nach einem Ausgang machen. Während sie herumgekrochen war, um etwas zu finden, woran sie die Decken befestigen konnte,
Weitere Kostenlose Bücher