Mein Glueck
haben dieses Bild gesehen und seine Entdeckung als eine Sensation gepriesen. Philippe de Montebello, der Direktor des Metropolitan Museum, war stolz, mir ankündigen zu können, dass der Eigentümer versprochen habe, die Arbeit der Sammlung zu schenken. Und dies bekenne ich ganz offen: Wüsste ich nichts vom verbrecherischen Tun der Beltracchibande und würde die Arbeiten heute betrachten, fände ich nach wie vor keinen Hinweis, der Zweifel an der Echtheit bei mir aufkommen lassen würde. Wolfgang Beltracchi, der diese Bilder gemalt hat, ist ein genialer Fälscher. Er hat, wie man vermutet, über zweihundert Werke auf den Markt gebracht. Dazu zählen Fälschungen nach Campendonk, Vlaminck, Nauen, Mense, Braque, Derain, Dufy, Marcoussis, Friesz, Herbin, Marie Laurencin, Pechstein sowie Léger – und die sieben mit Max Ernst signierten Ölgemälde.
Ich beuge mich der Erkenntnis der Wissenschaft, dem Bekenntnis Beltracchis in dem Prozess und der sich aus den vielen Fakten ergebenden Gewissheit, dass alle sieben von mir als echt bezeichneten Arbeiten unecht sind. Aus meiner Fehlentscheidung kann ich mir deshalb keinen Vorwurf machen, weil ich die Arbeiten nach bestem Wissen und Gewissen und nach meinem durch jahrzehntelange Erfahrung erreichten Kenntnisstand beurteilte: Ich sah sie mit genau den Augen an, die mir in über vierhundert Fällen die Sicherheit gegeben haben, Bilder und Zeichnungen für unecht zu erklären und aus dem Verkehr zu ziehen. Ich versuchte über das Werk zu wachen, es zu überwachen. Deshalb sorgte ich dafür, dass Bronzen, die über die gestattete Auflage hinaus gegossen wurden, in Gegenwart von Zeugen zerschlagen und eingeschmolzen worden sind. Diese bedingungslose Hingabe an das Werk von Max Ernst hat mich auch veranlasst, unmittelbar nach Bekanntwerden des Fälschungsverdachtes, ausgelöst durch Jentsch, dass das Flechtheim-Label gefälscht ist, nach Berlin zu fliegen, um René Allonge – seit Jahren Deutschlands unbestreitbar bester Ermittler im Bereich der Kunstfälschungen – aufzusuchen und ihm sämtliche mir zur Verfügung stehenden Unterlagen und Erkenntnisse hinsichtlich der sieben von mir begutachteten Max-Ernst-Bilder zugänglich zu machen. Gegenüber meinem Freund und Rechtsanwalt Peter Raue hat Herr Allonge betont, dass diese Angaben außerordentlich hilfreich gewesen seien, ja geradezu zum Startschuss für die weiteren Ermittlungen geworden sind. Ich habe mich bei den Arbeiten, die von Beltracchi kamen, getäuscht. Aber ich habe auch einen Fehler gemacht. Ich konnte Käufer vermitteln, und die Beltracchis ließen es sich – obwohl ich es nicht verlangt habe – nicht nehmen, mir eine ansehnliche Verkaufsprovision auf ein angegebenes Schweizer Konto zu überweisen. Das war unklug, weil es – zu Unrecht, wie ich weiß – den Eindruck erwecken kann, ich hätte das Gutachten nicht unabhängig und unvoreingenommen abgegeben. Als ich die Bestätigungen der Echtheit gab, habe ich an eine Vermittlung der Arbeiten ebenso wenig wie an eine Honorierung für die Vermittlungstätigkeit gedacht. Dass dies meinem Ansehen geschadet hat, weiß ich. Dass ich meine Entscheidungen nach bestem Wissen getroffen habe, lässt mich in den Spiegel schauen.
Freilich ist es für mich schwer hinnehmbar, mich wegen meines Irrtums immer wieder am Pranger zu sehen, während derjenige, der die gefälschten Bilder auf den Markt brachte, einen Millionenschaden anrichtete und ein glücklich-luxuriöses Leben führte, mit kaum mehr als einem blauen Auge davonkommt. Die Gerichtsverhandlung wurde zur Farce. Den ermittelnden Kriminalbeamten und ebenso allen anderen, die zur Aufklärung der Sache hätten beitragen können, wurde es verwehrt, ihr Wissen zu offenbaren. Mir wurde die Möglichkeit genommen darzustellen, wie die Fälscherbande gearbeitet hat, welche Mittel sie einsetzte und welche hohe Fähigkeit Beltracchi an den Tag gelegt hat. Dass aufgrund eines leichten, seichten Vergleiches, den Gericht, Staatsanwaltschaft und die Verteidiger von Beltracchi vereinbarten, die Offenbarung der ganzen Wahrheit unterblieben ist, schadet dem Kunsthandel, dem Kampf gegen Fälschungen und beschädigt mich, der ich nicht gerichtsöffentlich erklären konnte, wie die Fälscherbande ihr Geschäft betrieben hat. Als der Staatsanwältin kurz vor der beabsichtigten Beendigung des Verfahrens klar wurde, dass Beltracchi keineswegs, wie es Grundlage für einen Vergleich gewesen war, alles gesagt hatte, und sie im Gerichtssaal
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