Mein Glueck
erwog, auf den Vergleich nicht mehr einzugehen, fiel dem Richter keine andere Drohung ein, als zu erklären: »Dann werde ich eben den Rest meines Lebens den Beltracchi-Prozess führen.«
Beltracchi – der Freigänger – erfreut sich eines fröhlichen Lebens. Die Zeit empfiehlt gar, seine Bilder zu kaufen und ins Museum zu hängen. Der Getäuschte, durch die Täuschung Geschädigte, ist das Ziel massiver öffentlicher Angriffe. Es ist ein nicht einfacher Lernprozess, diese merkwürdige Gewichtsverteilung von Schuld und Verurteilung zu akzeptieren. Henning Ritter schickte mir dazu einen Satz aus Rousseaus Rêveries , mit dem ich mich am Ende dieses Buches zurückziehen möchte: »Aber die Dinge haben ihr Aussehen stark verändert, sobald mein Unglück begonnen hatte. Ich lebte von da an inmitten einer neuen Generation, die der früheren durchaus nicht mehr glich, und meine eigene Haltung zu den anderen hat Veränderungen erfahren, die ich bei ihnen fand. Dieselben Menschen, die ich nacheinander in diesen beiden so verschiedenen Generationen sah, haben sich sozusagen nacheinander an die eine und an die andere angeglichen.« Ich werde damit leben und weiterhin meine ganze Kraft in die Vervollständigung des Werkverzeichnisses von Max Ernst und die Präsentation seiner Arbeiten in Ausstellungen sowie in Reflexionen über Picasso und andere Künstler und Schriftsteller stecken. Dass die als Reaktion auf meinen Irrtum erfolgten öffentlichen Beschuldigungen mich nachhaltig und tief schmerzen – ja der schwerste Einbruch in meinem Leben sind –, kann das Glück meines Lebens nicht zerstören. Es verleiht ihm das »Ach!«, ohne das kein Leben gelebt werden kann.
Über den Autor
Werner Spies
Werner Spies, 1937 geboren, war Direktor des Musée National d'Art Moderne in Paris, lehrte an der Kunstakademie in Düsseldorf und wurde einem großen Publikum durch seine Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bekannt. Im Carl Hanser Verlag sind erschienen: Duchamp starb in seinem Badezimmer an einem Lachanfall. Portraits (2005) und Mit Skalpell und Farbmaschine. Porträts von Max Ernst bis Gerhard Richter (2008). 2012 erscheint Mein Glück. Erinnerungen.
Auszeichnungen
• 2010 Carlo-Schmid-Preis
• 2003 Art-Cologne-Preis
• 2003 Elsie-Kühn-Leitz-Preis der Vereinigung Deutsch-Französischer Gesellschaften
• 2001 Goethe-Medaille
• 1995 Wilhelm-Hausenstein-Ehrung für Verdienste um Kulturelle Vermittlung
• 1985 Bundesverdienstkreuz
• 1979 Johann-Heinrich-Merck-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung
Bibliographie
Im Carl Hanser Verlag erschienen
2005 Duchamp starb in seinem Badezimmer an einem Lachanfall. Portraits
2008 Mit Skalpell und Farbmaschine. Porträts von Max Ernst bis Gerhard Richter
2012 Mein Glück. Erinnerungen
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