Mein Herz springt (German Edition)
überfordern. Ich nehme mir vor, nicht noch einmal in Trübsal zu verfallen. Und um Torben nicht allzu lange warten zu lassen, mache ich mich tapfer auf den Weg in den Saal. Torben hat in meiner Abwesenheit Gesellschaft gefunden. Eine Frau ungefähr meines Alters steht mit einem Cocktail in der Hand dicht bei ihm. Der angeregten Unterhaltung entnehme ich, dass sich die beiden gut kennen. Ich überlege kurz, unauffällig an Toben vorbeizugehen und nicht zu stören. Ich könnte mich auf die Suche nach dem Rest des Teams machen.
Torben nimmt meinen Ausreißversuch allerdings sofort wahr. Er lässt die Frau an seiner Seite kurzerhand einsam an der Bar zurück, geht auf mich zu, legt seine Hand um meine Schulter und führt mich Richtung Tanzfläche. »Darf ich zum Tanz bitten, liebe Betty?«
Und ohne auf meine Antwort zu warten, zieht er mich an der Hand durch die vielen tanzenden Gäste, nimmt auch meine zweite Hand und beginnt, mich zum Takt von »Girls just a wanna have fun« zu drehen. Ich spüre, wie der Takt der Musik meine gute Laune im Sturm erobert. Es dauert keine Minute und ich bin in bester Partystimmung. Ich löse mich aus Torbensenger Tanzhaltung und bewege mich voller Energie zum Beat der vom DJ aufgelegten Hits. Ich sauge die Stimmung der mich umgebenden Menschen auf und fühle mich frei.
Dabei bemerke ich kaum, wie schnell die Zeit vergeht. Als ich gegen halb zwei Uhr nachts auf die Uhr gucke, löst sich die tanzende Feiergesellschaft nur langsam auf. Es macht den Anschein, als müssten die vielen Menschen ein anstrengendes Jahr gebührend abschließen. Das Gefühl kann ich gut nachempfinden. Auch ich habe ein anstrengendes Jahr hinter mir. Anstrengend und emotional aufreibend – vor allem wegen Hanno.
Ich schaue mich um, versuche, ihn zu erspähen. Und als ich gerade meinen Blick in sämtliche Richtungen schweifen lasse, steht er plötzlich vor mir. Just in dieser Sekunde ertönt aus den Lautsprechern eines meiner Lieblingslieder »Tanz der Moleküle«.
»Darf ich bitten?«, fordert mich Hanno etwas unsicher wirkend zum Tanzen auf.
Natürlich willige ich ein. »Das ist der Moment, auf den ich den ganzen Abend, oder besser gesagt, die ganzen letzten Monate gewartet habe. Die Aufforderung ist längst überfällig«, beschwere ich mich mit einem Augenzwinkern.
»Du wurdest ja den ganzen Abend von Hellinghausen in Beschlag genommen. Ich hatte gar keine Chance, auch nur in deine Nähe zu kommen.«
»Ja, Torben hat sich in der Tat rührend um mich gekümmert. Aber jetzt bin ich ja Gott sei Dank noch in den richtigen Armen gelandet«, kontere ich frech.
Dann geben wir uns voll und ganz der Musik hin. Wie die Interpretin des Songs spüre ich, wie sich jedes Molekül in mir vor Glück bewegt. Ich zerfließe in Hannos Nähe. Seine Berührung, sein Atem an meinem Ohr, wenn er mit mir spricht. Auch mein Herz tanzt.
Und obwohl der Takt der nächsten Lieder einen schnelleren Tanzrhythmus fordert, bleiben wir ungeachtet dessen dem vorherigen treu. Ich schmiege mich mit meinem Kopf an Hannos Schulter. Er lässt meine Nähe zu. Das ist der Moment, auf den wir seit Langem gewartet haben. Es gibt nur noch uns – und die Musik.
Ein Fingerstoß an mein Schulterblatt bringt mich in die Realität zurück. Ich schrecke auf, werde aus einem wunderbaren Traum erweckt.
Es ist Torben, der spürt, dass er uns in einem intimen Augenblick gestört hat, und er entschuldigt sich sofort. »Tut mir leid. Ich wollte euch nicht aus dem Takt bringen. Ich wollte mich nur kurz verabschieden.«
Hanno reicht Torben die Hand und bedankt sich, dass er seiner Einladung zur Weihnachtsfeier gefolgt ist.
Mir gibt Torben zum Abschied einen Kuss auf die Wange und flüstert mir dabei ins Ohr: »Ich glaube, ich brauche keine Erklärung mehr. Einen schönen Abend wünsche ich dir noch. Pass auf dich auf.«
Zu gerne würde ich mich angemessen von Torben verabschieden. Er hat mir einen unterhaltsamen Abend bereitet. Er war der eigentliche Mann an meiner Seite. Aber mir fehlen die Worte. Es reicht nur für ein »Danke«. Und Torben geht.
Jetzt bemerke ich, dass sich der Saal bis auf ungefähr zwanzig Gäste geleert hat, die entsprechend angetrunken und partylustig wirken. Hanno und ich befinden uns in der Mitte der Tanzfläche. Aber keiner scheint uns wahrzunehmen. Alle sind in wohliger Laune mit ihren Tanzpartnern beschäftigt.
Hanno schaut sich im Saal um. Dann wendet er sich zu mir: »Die Feier scheint langsam dem Ende entgegenzugehen.
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