Mein Herz springt (German Edition)
Atem an meinem Hals. Seine Hände an jeder Stelle meines Körpers. Seinen Blick, der mir bewies, dass ich die Frau seiner Träume war. Ich vermisste das so sehr – ich vermisste Hanno so sehr. Ich quälte mich selbst ins Unermessliche. Und doch war die Entscheidung, die wir getroffen hatten, richtig. Das redete ich mir immer und immer wieder ein.
***
Kalle schien keine Veränderung an mir festzustellen. Zumindest verhielt er sich mir gegenüber wie immer. Anders als vor ein paar Monaten, als meine Nerven oft blank lagen, kehrte nun eine fast lethargische Ruhe in mir ein. Ich begab mich innerlich auf die Suche nach dem Sinn der Liebe und damit der Bedeutung dessen, was zwischen Hanno und mir passiert war.
Ich las einen Lebensratgeber nach dem anderen. Ich fand nichts. Nichts, was mir auch nur annähernd Aufschluss über meinen seelischen Zustand gab. Irgendwann wurde ich wegen der sich immer wiederholenden Floskeln in diesen Büchern müde: »Liebeskummer zu bewältigen, bedeutet Trauerarbeit«, »Die Zeit heilt alle Wunden«, »Trennung ist immer die Chance zu einem Neubeginn«, »Der größte Fehler ist, die Schuld für das Scheitern einer Beziehung bei sich selbst zu suchen«. So viele Weisheiten – und doch keine Antwort auf das, was mich in meinem Herzen und meiner Seele seit Wochen trieb.
Ich entdeckte meinen vor langer Zeit angefangenen Bergmann-Roman »Wo geht’s nach Süden?« auf meinem Nachttisch. Das Lesezeichen befand sich ungefähr in der Mitte des Buches. Um wieder in den Fluss der Geschichte zu kommen, begann ich ein paar Seiten vor der Markierung. Eleni und Vinzent treffen sich für einen Tag an der belgischen Nordseeküste.
Und auch jetzt kam wieder die Erinnerung in mir hoch. Die Erinnerung, wie ich mir bei dieser Passage vorstellte, mit Hanno einen Tag am Meer zu verbringen. Ich versuchte, meine Tränen zu unterdrücken, mich auf die Geschichte zu konzentrieren und weiterzulesen.
Eleni und Vinzent trennen sich qualvoll nach der gemeinsamen Zeit in Belgien. Sie wissen, wie stark ihre Gefühle füreinander sind. Sie wissen aber auch, dass ihre Liebe keine Zukunft hat. Nicht nur, weil Eleni seit Jahrzehnten in einer glücklichenEhe mit zwei tollen Söhnen lebt. Nein, weil beide wissen, dass der Altersunterschied zu groß ist, um eine gemeinsame Zukunft zu planen. Der Traum davon musste ausreichen.
Es faszinierte mich, wie Bergmann es schafft, die Gefühlswelt von Eleni und Vinzent so einfühlsam und doch klar zu beschreiben. Er vermeidet unnötige Ausschmückungen, Ornamente in der Geschichte, die die Emotionen in den Schatten stellen könnten. Der Fokus gilt ganz alleine dem Denken, Handeln und Fühlen der beiden Verliebten. Das Leben von Eleni und Vinzent nimmt seinen erwarteten Lauf. Sie treffen sich und trennen sich. Entstanden ist auf den ersten Blick eine klassische Form der Affäre – im Herzen der beiden aber eine leidenschaftliche Liebe. Als Elenis Mann bei einem Autounfall ums Leben kommt, ist Vinzent für sie da. Die beiden kommen zusammen. Sie überwinden nicht nur Elenis Trauer, sondern auch ihre Ängste bezüglich des Altersunterschieds.
Ein für mich banales Ende einer ganz besonderen Geschichte. Ich habe die etwa hundert Seiten in einer Nacht verschlungen. Und am Ende war ich enttäuscht. Mehr noch: Ich ärgerte mich über den Autor. Wie konnte er es sich so einfach machen? Den Schluss der Geschichte gewissermaßen unreflektiert abbinden? Hatte Bergmann keine Lust mehr, sich Gedanken über ein der Situation angemessenes Ende der Geschichte zu machen? Eins war mir klar: Solche besonderen Geschichten enden nie mit einem Happy End – niemals. Ich nahm mir fest vor, meine Enttäuschung irgendwann einmal Bergmann gegenüber persönlich kundzutun.
***
Ich fand keine Antwort auf die Frage, was in mir vorging. Und ich suchte unaufhaltsam danach. Wie konnte ich so sicher sein, mit Kalle mein restliches Leben verbringen zu wollen, und dabeigleichzeitig das Gefühl haben, an meiner Liebe zu Hanno zu zerbrechen? Monatelang versuchte ich, der Lösung dieses Rätsels einen Schritt näher zu kommen. Maya und Lisa, mit der ich seit Wien in regelmäßigem Kontakt stand und der ich neben Maya meine Geschichte anvertraute, konnten mir nicht weiterhelfen. Genauso wenig wie die Lektüre gefühlt Hunderter Bücher zur Liebespsyche der Frau. Mein Problem, wenn man es denn als solches beschreiben wollte, hatte offensichtlich noch niemand vor mir – zumindest hatte es niemand versucht zu
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