Mein Herz springt (German Edition)
Arbeitstag beginnt wie immer mit der morgendlichen Patientenübergabe bei meiner zweiten Tasse Kaffee. Nach der Visite bin ich auf der kardiologischen Intensivstation eingeteilt. Es ist das übliche Treiben. Dazwischen ein Patient mit Angina Pectoris, der zügig ins Herzkatheterlabor transportiert werden muss. Dort soll die Ursache des unerträglichen Schmerzes festgestellt werden. Der Einsatz eines etwa zwei Zentimeter langen und drei Millimeter breiten Metallröhrchens schafft ihm Erleichterung und rettet ihm vorerst das Leben. Nach diesem fast schon routinemäßigen Schreck auf einer Herzstation am Morgen ziehe ich mich in das Ärztezimmer zurück. Ich setze mich auf den Bürostuhl vor einem für alle Kollegen zugänglichen Computer und atme befreit auf.
Ich drehe mich mit meinem Stuhl hin und her. Dabei öffne ich eine Datenbank mit medizinischen Publikationen. Ich gebe in das Suchfeld »Hanno Clausen« ein und drücke die Enter-Taste. 280 Artikel – unglaublich. Und das über die letzten 10 Jahre. Die meisten in international hochrenommierten Fachzeitschriften. Danach setze ich meine Recherche im Internet fort. Ich blicke kurz zur Tür und hoffe, dass mich kein Kollege stört oder, besser gesagt, in Erklärungsnot bringt. Aber wieso eigentlich? Als Ärztin in einer kardiologischen Abteilung ist es doch naheliegend, auf der Suche nach brandaktuellen Forschungsergebnissen nach Prof. Dr. Clausen zu stöbern. Ich setze meine Internetrecherche fort. Es gibt unzählige Einträge zu seiner Person. Auf der Website der Klinik finde ich eine kurze Biografie: Medizinstudium an der LMU München, Promotion und Habilitation an der Berliner Charité, Forschungstätigkeiten im Zuge des PostDocs an der Harvard Medical School.Assistenz- und Oberarzt an der Charité, Leiter der kardiologischen Abteilung des Klinikums Freiburg und schließlich Chefarzt einer privaten Hamburger Herzklinik. Daneben Stationen in Düsseldorf, Stockholm, auf den Seychellen, in Uganda etc. Und im fast Kleingedruckten am Ende der Seite finde ich: Verheiratet seit 2001 mit Susanne Clausen, 3 Kinder.
Verheiratet, 3 Kinder. Und ich hatte ihm maximal eine Haushälterin zugetraut. Wie konnte ich mich so irren! Schnell schließe ich das Internet und rufe alibimäßig einen belanglosen Artikel in der Publikationsdatenbank auf.
War Clausen gar nicht so weltfremd und uninteressant, wie ich ursprünglich vermutet hatte? Anscheinend nicht. Seine Vita war einwandfrei, makellos, vorbildlich – inklusive des Privatlebens.
»So, Betty«, mahne ich mich selbst, »jetzt weißt du alles, was du wissen wolltest. Lege die Begegnung ad acta und konzentriere dich auf die Arbeit.« Ich versichere mich noch einmal, dass alle Seiten auf dem Computer geschlossen sind, und gehe auf die Station zurück.
***
Inzwischen sind mehr als drei Wochen seit dem Besuch von Prof. Clausen in unserer Klinik vergangen. Und seit über drei Wochen trifft sich Maya in regelmäßigen Abständen mit Francois. Es ist Zeit für den Jubel-Cocktail in unserer Stammbar »Flocke« im Belgischen Viertel.
Maya und ich sind für 20.30 Uhr verabredet. Als ich die Bar betrete, erkenne ich schon von der Eingangstür aus Maya an der Bar. Sie flirtet mit Hugo, unserem bekannten Barkeeper. Als Maya mich sieht, stürzt sie strahlend auf mich zu, nimmt mich in den Arm und küsst mich auf die Wange. An der Hand ziehtsie mich ungeduldig zu ihrem Hocker an der Bar. Kurz begrüßt mich Hugo mit Küsschen links, Küsschen rechts. Ein schönes Ritual. Man fühlt sich sofort willkommen.
Die »Flocke« hat eine ganz besondere Bedeutung für mich: Es ist der Ort, an dem ich Kalle vor vielen Jahren kennen und fast gleichzeitig lieben gelernt habe. Hugo wurde entsprechend im Laufe dieser Zeit ein fester Bestandteil unserer Familie.
»Wie geht es Kalle?«, fragt Hugo.
»Alles gut. Er arbeitet viel, das Übliche.«
»Und viel wichtiger: Wie geht es dir?«
»Auch gut. Habe eine anstrengende Woche hinter mir. Jetzt freue ich mich umso mehr auf meinen Caipi mit Maya. Zauberst du uns etwas Leckeres?«
Hugo macht sich an die Arbeit. Währenddessen rutscht Maya hibbelig auf ihrem Hocker hin und her. »Betty, ich bin so unendlich glücklich. Francois ist der Mann meines Lebens. Ich schwöre es.«
»Das freut mich für dich, meine Liebe. Erzähl, wie ist er? Wie sieht er aus? Was macht er?« Ich versuche, meine noch etwas zögerliche Freude durch eine Flut an Fragen zu überspielen. Und schon stürzt eine Art Euphoriewelle
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