Mein Herz tanzt Tango
Börse komplett eingebrochen. Erst ging es zwei Punkte hoch, dann plötzlich zehn hinunter. Ich vermute, dass das mit der Immobilienkrise zusammenhängt, aber es könnte sich auch um falsch bewertete Aktienoptionen handeln. Es ist einfach frustrierend, wissen Sie, wenn man nichts tun kann, um ein Problem zu lösen.“
Rose lächelte schüchtern. Die Hilflosigkeit in seiner Stimme kannte sie selbst nur zu gut, doch von Finanzen hatte sie keine Ahnung. Ihr Leben war das Tanzen. Er hätte genauso gut Chinesisch mit ihr sprechen können, und sie hätte gleich viel verstanden.
„Sie haben kein Wort von dem kapiert, was ich eben gesagt habe, richtig?“
„Stimmt genau“, antwortete sie mit einem entwaffnenden Lächeln, das ihr überhaupt keine Schwierigkeiten bereitete.
„Egal. Das geht fast allen so. Keiner versteht, was ich tue. Manchmal nicht einmal ich selber.“ Daltons Blick fiel auf den schmutzigen Suppentopf. „Eigentlich sollten wir ja tanzen, aber was würden Sie davon halten, wenn wir erst mal etwas essen gehen?“
Bei Rose schrillten alle Alarmglocken.
Natürlich musste sie sich diesem Mann gegenüber höflich-professionell verhalten. Aber essen gehen klang verdächtig nach einer Verabredung.
Obwohl es das eigentlich nicht war.
Bei Licht betrachtet erschien es ihr sogar weniger gefährlich, mit diesem Mann in einem der meist überfüllten Restaurants von Hot Pepper zu sitzen, als in seinen Armen Tango zu tanzen.
So gesehen musste sie das Tanzen so lange wie möglich hinausschieben.
„Okay, gehen wir essen.“ Rose sprang eilig hoch und sah sich nach ihrer Handtasche um.
„Warum haben Sie es denn plötzlich so eilig?“
„Ich bin kurz vor dem Verhungern“, log sie, ohne rot zu werden.
„Na, dann.“ Er machte eine einladende Handbewegung, mit der er sie aufforderte, vor ihm durch die noch immer offene Wohnungstür zu gehen.
„Einen Moment“, sagte sie nach einem Blick auf ihr Kleid. „Ich sollte mich umziehen. Und Schuhe wären vielleicht auch keine schlechte Idee.“
„Ich finde Ihr Kleid absolut in Ordnung, aber Schuhe könnten wirklich nicht schaden“, musste Dalton zugeben.
Sie lief hinüber in den offenen Raum, der ihr als Schlafzimmer diente, und suchte im Schrank nach Shorts und einem T-Shirt. Sie hätte schwören können, dass er sie dabei beobachtete, doch als sie unauffällig in seine Richtung blickte, fand sie ihn in einen Bildband über Argentinien vertieft.
Gut.
Es war ja nur verständlich, dass sie körperliche Bedürfnisse verspürte, beruhigte sie sich selber. John hatte immer gesagt, sie solle nicht den Rest ihres Lebens allein verbringen, falls ihm etwas passierte. Aber es war einfach noch zu früh, um an solche Dinge zu denken.
Sie nahm ihre Sachen und ging damit ins Bad, das, genau wie Annas Zimmer, ein richtiger Raum mit einer Tür war, die sie hinter sich schließen konnte.
Es dauerte nur einen Augenblick, in die abgeschnittenen Jeans und das enge rosafarbene T-Shirt zu schlüpfen. Beide Teile hatte sie schon hundertmal getragen, wenn sie mit Anna unterwegs war oder einkaufen ging. Trotzdem fühlten sie sich heute zu knapp und offenherzig an.
Wie lächerlich!
Als sie in den Wohnraum zurückkehrte, blätterte Dalton noch immer interessiert in dem Argentinien-Buch. Sie schlüpfte in ihre Sandalen und rief: „Fertig!“
Er stand auf und kam zur Tür, ohne sie dabei auch nur eines Blickes zu würdigen. Na also, da hatte sie es: Sie brauchte sich überhaupt keine Sorgen zu machen!
Draußen versuchte Dalton, unauffällig durchzuatmen. Er dankte der Natur im Stillen dafür, dass es so kühl geworden war. Ihm war auch so bereits heiß genug.
Rose hatte schon in ihrem Tanzkleid wundervoll ausgesehen, aber dieses neue Outfit war einfach umwerfend.
Auch wenn er vorgegeben hatte, fasziniert von dem Buch zu sein, das er vor sich aufgeschlagen hatte, war ihm diese Rose Vasquez doch keinen Augenblick aus dem Kopf gegangen. Jede einzelne ihrer Bewegungen war voller Energie, die sich unwillkürlich auf ihn übertrug, wenn er nicht für einige Meter Abstand zwischen ihr und ihm sorgte.
„Was halten Sie von Big Daddy’s Deli?“, fragte er. „Ich hätte jetzt Lust auf ein Truthahn-Sandwich mit Schwarzbrot.“
„Keine Einwände“, antwortete Rose. „Nur, dass mir mehr nach einem Roastbeef-Sandwich mit Käse ist.“
„Dann sind wir uns ja einig. Sie zuerst.“
Dalton ließ sie auf dem schmalen Gehsteig vorausgehen. Dabei hatte er allerdings nicht bedacht,
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