Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)
ich mich.
Socks schlägt mit dem Huf auf den Boden, um meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
»Ja, Socks?«
»Oliver, als du gesagt hast, in der neuen Version sei ich ein mächtiges Ross – heißt das dann, dass ich auch ein bisschen schlanker bin?«
»Du bist jedenfalls das bestausehendste Pferd im ganzen Königreich«, erwidere ich. »Du bist das Pferd, dem alle anderen Pferde nacheifern.«
Er wiehert und wirft entzückt die Mähne nach hinten.
Pyro hebt einen seiner Stummelarme. »Mir ist nur nicht ganz klar … Was ist eigentlich meine Motivation? «
»Du legst all den Schmerz und all die Wut darüber, dass man dich fälschlicherweise für ein zerstörerisches Ungeheuer hält, in deine Darbietung«, schlage ich vor.
Der Drache hickst leise. »Damit kann ich arbeiten.«
»Großartig!« Ich klatsche in die Hände. »Wenn wir also alle bereit sind, gehen wir doch an die Arbeit und üben, damit wir loslegen können, wenn sich das Buch wieder öffnet …«
»Einen Moment noch.« Rapscullio steht auf. Seine hohe Gestalt mit dem schwarzen, in die Stirn fallenden Haar, das einen Schatten auf seine Narbe wirft, wirkt unheilverkündend. »Was geschieht denn mit dir, Oliver?«
Ich grinse. »Na ja, ich denke, ich verlasse das Buch und lebe glücklich und zufrieden bis ans Ende meiner Tage.«
»Aber bist du dann in der Anderswelt genauso klein wie in unserer?«, fragt Ember. »Dann wärst du nicht größer als eine Fee.«
»Wirst du so aussehen wie hier oder wirst du ganz platt sein?«, mischt Walleye sich ein.
Mir wird ganz flau im Magen. Darauf weiß ich nun wirklich keine Antwort. Nicht, bis klar ist, ob es funktioniert oder nicht. »Wahrscheinlich ist das alles ein Geheimnis«, entgegne ich. »Ich lasse es euch wissen, wenn ich dort bin.«
Ein leises Winseln ertönt. Ich drehe mich um und sehe, dass Frump sich räuspert. »Können wir dich denn besuchen?«, fragt er leise.
Ich blicke meinem besten Freund in die Augen. Ihn nie mehr wiederzusehen ist mir unvorstellbar. »Das kann ich dir nicht mit Gewissheit sagen«, entgegne ich ehrlich. Er lässt enttäuscht die Schnauze hängen und ich mache einen Schritt auf ihn zu, um ihn zum Trost zwischen den Ohren zu kraulen. Doch Seraphima kommt mir zuvor und streichelt seinen Rücken. Eins ist mir jetzt klar – Frump wird in guten Händen sein.
Plötzlich beginnt der Sand zu rieseln und herumzuwirbeln, während die Ecken des Strandes sich aufrollen.
»Alles auf die Plätze!«, bellt Frump.
Ich falle durch eine Seite nach der anderen, bis ich auf dem Steinfußboden des Schlosses zum Halten komme. Als ich den Kopf hebe, sehe ich gerade noch, wie Königin Maureen mit solcher Wucht auf ihrem Thron landet, dass ihre Krone durch die Luft segelt. Frump fängt sie wie eine Frisbeescheibe auf. »Euer Majestät«, sagt er, als er sie ihr zurückbringt.
Die Geschichte beginnt wie immer – damit, dass ich meiner Mutter erzähle, ich würde mich auf die Suche nach meiner großen Liebe machen. Bloß dass mich diesmal meine große Liebe nicht am Ewigkeitsstrand erwartet, sondern viel weiter entfernt. »Wünsch mir Glück«, flüstere ich in der Hoffnung, dass Delilah zuhört, und spreche meinen Text.
In der nächsten Stunde durchlaufe ich alle Stationen: Ich werde von den Feen angegriffen, falle ins Meer, werde von den Meerjungfrauen entführt und trickse die Trolle aus. Kapitän Crabbe kidnappt mich, ich kämpfe gegen Pyro und besuche Orville, um Seraphimas Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Auch alle anderen Figuren spielen ihre Rollen. Besonders beeindruckt bin ich von Socks, der sich plötzlich als stampfender, schnaubender weißer Hengst präsentiert. Es ist, als wäre er allein durch sein neues Selbstvertrauen dreißig Zentimeter gewachsen. Aus dem Augenwinkel beobachte ich, wie Seraphima Frump nach jeder Szene, in der wir gemeinsam auftreten, schmachtende Blicke zuwirft.
Irgendwann klettere ich, genau wie immer, die Felswand hoch – doch hier halte ich inne und beginne zu sprechen.
Beim Schreiben der neuen Geschichte hatte Delilah gemerkt, dass es nach wie vor einen Ort geben musste, an dem ich ganz allein war, damit sie mich immer auf einer bestimmten Seite finden konnte, wenn das notwendig war. Doch nun spreche ich, anstatt die Felswand auf Seite 43 hochzuklettern, über Delilah. Über dieses Mädchen, das gemerkt hat, dass ich real bin, obwohl es absolut unwahrscheinlich war.
Und dann, ehe ich michs versehe, versammeln wir uns schon alle am
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