Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)
Ewigkeitsstrand. Da stehe ich mit Frump an meiner Seite, an dessen Halsband ein Ehering geknüpft ist. Und Seraphima kommt den Weg aus zerstoßenen Muschelschalen entlang. Aber dieses Mal küsse ich die Braut nicht.
»Ich erhebe Einspruch«, sage ich. Das ist der neue Text.
Kapitän Crabbe, der die Trauung vornehmen soll, blickt auf. »Ich glaube nicht, dass du bei deiner eigenen Hochzeit Einspruch erheben kannst, mein Junge.«
»Doch, das kann man, wenn es keine wahre Liebe ist«, erwidere ich.
»Ich erhebe ebenfalls Einspruch«, verkündet Seraphima. »Ich liebe einen anderen.« Sie blickt auf Frump hinunter. » Etwas anderes.«
Sie bückt sich und drückt Frump einen Kuss auf die feucht schimmernde Schnauze.
Ein Funkenregen geht nieder, und Frump verwandelt sich vor unseren Augen wieder in einen Menschen. Diesmal in einen bekleideten Menschen. Dafür habe ich gesorgt, als Delilah die Szene schrieb.
Frump tastet seine Arme und Beine ab und schenkt mir ein strahlendes Lächeln. »Wahre Liebe«, sagt er, »kann den mächtigsten Fluch besiegen.«
Dass Frump sich verwandelt hat, bedeutet, dass das Buch einige der von uns vorgenommenen Änderungen zulässt. Ich kann nur hoffen, das ist ein gutes Omen für alles Weitere. Wir haben uns nämlich eine Hintertür eingebaut: Wir verändern die Geschichte nicht, sondern fügen ihr etwas hinzu. Es muss also nichts korrigiert werden, die Charaktere haben bloß ein wenig mehr zu tun.
Ich nehme Seraphimas Hand und lege sie behutsam in die von Frump. »Ich möchte nicht, dass dir die Liebe deines Lebens verwehrt bleibt – und du wünschst mir das auch nicht«, sage ich zu ihr. »Jeder verdient ein Happy End … und meines liegt irgendwo außerhalb dieser Seiten.«
Ich habe Delilahs Schlussabsatz ein Dutzend Mal gelesen; ich kann ihn auswendig. Also mache ich mich auf den Weg. Einen Fuß vor den anderen setzend, gehe ich den Strand entlang, ganz dicht am Wasser. Die Meerjungfrauen winken mir zu, aber ich sehe nicht zu ihnen hinüber. Wenn ich das täte, so meine Befürchtung, bekäme ich sofort Sehnsucht nach allen, die ich zurücklasse.
Ich nähere mich dem Rand der Seite und mit einem tiefen Atemzug springe ich, pralle jedoch mit dem Gesicht gegen etwas Hartes, Starres, Unnachgiebiges. Einen Augenblick lang sehe ich nur Sternchen und weißen Raum um mich her.
Eine Zunge leckt mein Gesicht ab, und als ich aufblicke, sehe ich Frump, der wieder zum Hund geworden ist. Dann schwebt Seraphimas Stimme über mir. »Oliver?«, sagt sie. »Vielleicht will dieses Buch dich nicht gehen lassen.«
Wir befinden uns auf Seite 43. Na ja, eher diesseits und jenseits der Seite. Delilah hat das Buch mit ihrem Kissen abgestützt und wir unterhalten uns im Dunklen.
Als klar wurde, dass auch unser letzter Plan nicht funktionierte, hatte Delilah Edgar höflich eine gute Nacht gewünscht und war mit dem Buch ins Gästezimmer gegangen. Sie hatte es geschafft, die Tränen so lange zurückzuhalten, bis wir allein waren, aber seitdem hat sie nicht mehr aufgehört zu weinen.
»Alles in Ordnung«, versuche ich ihr einzureden. Eine Lüge. »So schlimm ist es auch wieder nicht.«
»Für dich ist es schrecklich dort«, schluchzt sie. »Und ich halte es hier nicht ohne dich aus.«
Ich greife zu ihr hoch, versuche mich zu erinnern, wie es sich angefühlt hat, ihre Hand zu halten, als wir auf den Wegen dieses Königreichs wandelten. »Ich bin immer hier, wenn du mich brauchst«, sage ich. »Ich glaube, es ist ziemlich eindeutig, dass ich nirgendwo anders hingehe.«
Wie sich herausstellt, gibt es noch etwas Schlimmeres, als nicht mit dem geliebten Menschen zusammen sein zu können, wenn man glücklich ist: ihn nicht trösten zu können, wenn er traurig ist. »Delilah Eve McPhee«, sage ich, »selbst wenn ich diese Seiten nie verlassen werde … ich würde das Ganze hier noch tausend Mal durchspielen, nur um dich sehen zu können.«
»Ach, Oliver«, flüstert sie. »Ich liebe dich auch.«
Delilah schläft ein, ohne das Buch zuzuklappen – ich kann sie also beobachten. Vielleicht meint ihr, es sei nicht besonders interessant, jemanden im Schlaf zu beobachten, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass ihr das Mädchen eurer Träume noch nicht gefunden habt. Bei jedem Atemzug bewegt sich eine Haarlocke, die ihr übers Gesicht gefallen ist. Von Zeit zu Zeit drückt sie das Kissen an sich und seufzt.
Jetzt, da ich weiß, dass ich nicht auf Dauer mit ihr zusammen sein werde, will ich von der Zeit,
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