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Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Titel: Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult , Samantha van Leer
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Handtuch stopft. »Ich muss zum Schwimmtraining.«
    »Ich bin sicher, du hast den Dreh bald heraus«, entgegne ich. »Bei mir war es so.«
    »Ich kann doch schon schwimmen«, entgegnet Delilah. »Es nennt sich Sport und soll Spaß machen. Aber wenn man beim Lagenschwimmen immer Letzte wird wie ich, fällt es einem schwer, Vergnügen daran zu finden.«
    »Warum macht man es dann?«
    »Meine Mutter meint, es hilft mir dabei, mich besser zu integrieren.«
    »Sag ihr doch einfach, dass du lieber damit aufhören würdest.«
    Sie hält inne und sieht mich an. »Warum sagst du deiner Mutter nicht die Meinung, wenn sie dir das Leben schwer macht?«
    »Das ist etwas anderes. Ich wurde so geschrieben.«
    »Eins kannst du mir glauben«, sagt Delilah. »Ein Teenager zu sein unterscheidet sich nicht so sehr davon, Teil einer Geschichte zu sein, die sich ein anderer ausgedacht hat. Es gibt immer irgendwen, der glaubt, er weiß es besser als du.«
    Ich schenke ihr mein bezauberndstes Lächeln. »Du könntest stattdessen bei mir bleiben.«
    »Das würde ich gern«, seufzt Delilah. »Aber das wird nicht passieren.«

    »Dann nimm mich mit.«
    »Wasser und Bücher vertragen sich nicht.«
    » DELILAH !« Wieder schallt aus dem Hintergrund die Stimme ihrer Mutter.
    Und so schließt sie das Buch, dieses Mal sanfter, und verlässt mich.
    Ich setze mich in die Ecke von Seite 43 und vermisse sie bereits, als Königin Maureen über den Rand der Seite tritt. So ist es, wenn das Buch geschlossen ist – jeder von uns kann überallhin spazieren, es gibt keine Privatsphäre. »Oh, tut mir furchtbar leid!«, sagt sie und wendet sich zum Gehen. »Ich wusste nicht, dass jemand auf dieser Seite ist!«
    »Nein, nein«, sage ich und stehe auf. »Ist schon in Ordnung.«
    Königin Maureen ist natürlich nicht wirklich meine Mutter. Eigentlich hat die Autorin dieser Geschichte uns allen das Leben geschenkt. Aber wie es zwei Schauspielern ergeht, deren Stück schon lange läuft, verstehen Maureen und ich uns inzwischen so gut und identifizieren uns derart mit unseren Figuren, dass sie innerhalb dieses Buches fast schon eine Mutterrolle für mich einnimmt. Ich mag es, dass sie mir, wenn sie in Backlaune ist, immer einen ihrer Ingwerkekse aus der Schlossküche aufhebt. Und ab und zu hole ich mir bei ihr Rat, wenn ich mich mit Frump gestritten habe oder Seraphima sich so in ihren Wahn hineinsteigert, dass sie mir auch in unserer Freizeit permanent nachstellt. Ich schätze Maureens Ansichten. Und so verschmilzt, glaube ich, meine Figur allmählich mit meinem wirklichen Wesen.
    »Hast du kurz Zeit?«, frage ich sie.
    »Natürlich.« Sie tritt näher und setzt sich neben mich auf einen kleinen Felsbrocken. »Du siehst aus, als würdest du am liebsten gegen die Wand treten.«
    Ich stoße einen Seufzer aus. »Ich bin einfach schrecklich frustriert.«
    »Wer hat dir denn in die Suppe gespuckt?«, fragt sie und hebt dabei eine Augenbraue.
    »Wenn wir alle nur Fantasieprodukte sind, sind dann unsere Gefühle überhaupt echt?«
    »Ach herrje!«, setzt Maureen an. »Da ist aber heute jemandem philosophisch zumute …«
    »Ich meine es ernst«, unterbreche ich sie. »Woher soll ich wissen, wie wahre Liebe sich anfühlt?«
    »Du liebe Güte, bitte sag mir nicht, dass du auf einmal auf diese alberne Prinzessin fliegst …«
    »Seraphima?« Ich schaudere. »Nein.«
    Maureens Augen leuchten auf. »Es ist Ember, stimmt’s? Ich habe gesehen, wie sie dich mit ihren winzigen Äuglein verstohlen angehimmelt hat.«
    »Ich bin nicht in eine Fee verliebt …«
    »Doch nicht etwa in Cook?«
    »Cook? Die ist doppelt so alt wie ich …«
    Maureen runzelt die Stirn. »Eine der Meerjungfrauen? Ich warne dich, eure Verabredungen wären ziemlich feucht …«
    »Es ist keine aus dem Buch«, antworte ich.
    Maureen blinzelt verwundert. »Aha. Na ja, mein Junge, da kann ich dir wohl nicht helfen.«
    »Sie ist anders als alle, die ich kenne. Ich sehne mich nach ihr, wenn ich nicht bei ihr bin. Und wenn sie das Buch aufschlägt und ich ihr Gesicht sehe, bringe ich kaum noch den Mund auf, geschweige denn, dass mir mein Text einfällt.« Probeweise forme ich mit dem Mund die Worte. »Ich glaube, ich bin vielleicht in sie verliebt. Aber wie kann ich sicher sein? Die einzige Liebe, die ich kenne, wurde für mich geschrieben.«
    »Ach, mein Lieber, genau das ist doch die Liebe. Eine Macht, die größer ist als du und ich und die uns zu einer ganz besonderen Person hinzieht.«
    Maureen

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