Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)
Brücke überqueren will. Und Rapscullio, wenn du Oliver zwanzig Meter über dem Boden baumeln lässt …«
»He, warte mal!«, unterbreche ich ihn. »Was ist mit mir?«
»Bei dir scheint ja alles prächtig zu laufen«, beschwert sich Seraphima. »Während ich seit Tagen kein einziges Wort gesprochen habe …«
»Ein Silberstreif am Horizont«, sage ich leise.
»Ihr habt völlig recht«, pflichtet Frump ihr so eifrig bei, dass ihm ein Jaulen entfährt. »Jemand wie Ihr, Prinzessin, mit einer so glockenhellen Stimme, solltet viel öfter zu hören sein …«
Aber er hätte sich seine Lobhudelei sparen können. Seraphima behandelt Frump wie Luft und setzt sich stattdessen neben mich in den Sand. Dann trippelt sie mit den Fingern meinen Arm hinauf, dass es kitzelt. »Ollie«, schnurrt sie. »Ich vermisse dich wirklich. Was meinst du, sollen wir auf Seite 60 gehen und noch einmal den Kuss üben?«
»Ähm, ich habe Maureen versprochen, ihr in der Küche zu helfen«, antworte ich.
Sie seufzt. »Wie du willst.« Dann blickt sie hinauf zu Frump. »Sind wir dann fertig? Ich muss nämlich ein Nickerchen machen. Ich brauche meinen Schönheitsschlaf.«
»Wenn Ihr mir die Bemerkung erlaubt, Mylady, nichts könnte Euch noch schöner machen, als Ihr bereits seid«, entgegnet Frump.
Kyrie, die Meerjungfrau, verdreht die Augen. »Meine Güte, Frump, du machst mich seekrank.« Eine der großen Ironien des Buches ist, dass die Meerjungfrauen im echten Leben mit Männern nichts am Hut haben.
»Also gut!«, bellt Frump. »Wir wissen alle, was wir zu tun haben, um den Leser zu fesseln. Ich empfehle euch wärmstens, in der freien Zeit fleißig zu üben, damit wir in Topform sind, wenn die Geschichte das nächste Mal gespielt wird.«
Leichtfüßig springt er von dem Holzstumpf, während sich die Menge zerstreut. »Oh, Prinzessin? Prinzessin Seraphima? Wenn Ihr jemanden braucht, der auf Seite 60 für Oliver einspringt, wäre es mir ein Vergnügen, ihn zu vertreten …«
Sie dreht sich um und richtet den Finger auf ihn. »Bleib! Braver Junge.«
Mit eingezogenem Schwanz trottet Frump zum Strand. Als ich ihm folgen will, um ihn aufzuheitern – oder wenigstens dazu zu bringen, sich diese lächerliche Verliebtheit in eine Frau mit den geistigen Fähigkeiten eines Ziegelsteins aus dem Kopf zu schlagen –, klatscht Kapitän Crabbe mir heftig auf die Schulter. »Ahoi, Oliver. Habe ich da gerade gehört, dass Maureen wieder in der Küche zugange ist? Darf ich auf den gestürzten Ananaskuchen hoffen? Es wäre mir ein Vergnügen, ihn in Stücke zu schneiden.«
Er zieht seinen Degen aus der Scheide. Die stählerne Klinge glänzt, noch strahlender jedoch ist sein Lächeln. Wahrscheinlich, weil er täglich Zahnseide benutzt.
Täglich Zahnseide.
Eine feste Zahnspange für einen Drachen.
Ein Pirat mit einem Nebenjob als Kieferorthopäde.
Ich werfe einen Blick auf Kapitän Crabbe und mir wird klar, dass dieser Mann vielleicht verstehen könnte, warum ich unbedingt aus der Geschichte raus will. »Kapitän«, sage ich, »wie wär’s mit einem kleinen Spaziergang?«
»Raus aus der Geschichte?«, fragt Kapitän Crabbe und bleibt abrupt stehen. Die Feen, die uns begleitet haben, umschwärmen sein Gesicht wie überdimensionale Mücken. »Das könnte ich nie!«
»Aber stellen Sie sich doch vor – irgendwo, in einer anderen Welt, hätten Sie vielleicht Ihre eigene Praxis für Kieferorthopädie. Sie könnten den lieben langen Tag Zahnspangen anpassen und müssten nie Ihre Arbeit unterbrechen, um das Großsegel zu reffen oder die Kanone abzufeuern!« Ich schenke ihm mein breitestes, hoffnungsvollstes Lächeln.
Einen Augenblick scheint er diese Möglichkeit zu bedenken. Dann sagt er: »Weißt du, dein linker Eckzahn steht ein bisschen schief. Das ließe sich beheben …«
Ich seufze frustriert. »Und wenn ich Ihnen nun sagen würde, dass ich Kontakt … mit der Außenwelt aufgenommen habe?«
Glint verschränkt ihre winzigen Ärmchen. »Klingt ganz so, als würde mal wieder jemand in Tagträumen schwelgen …«
Ich schlage nach ihr. »Wer hat dich eigentlich um deine Meinung gebeten?«
»Achte nicht auf ihn«, wispert Sparks. »Er ist heute offensichtlich mit dem linken königlichen Fuß zuerst aufgestanden.«
Ich balle meine Hände zu Fäusten. » K ÖNNT IHR MICH JETZT ALLE EINFA CH MAL IN R UHE LASSEN ?«
»Also, ich nicht«, flötet Ember.
»Wirklich nicht!«, sekundiert Glint.
Sparks reckt das Kinn. »Kommt, Ladys. Wir
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