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Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)

Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)

Titel: Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Hannawald
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war er mein Idol? Nein. So etwas wie ein Idol hatte ich damals gar nicht. Idole – das sind ja wohl unfehlbare Kultfiguren, Stars, für die man schwärmt, die man bedingungslos bewundert und denen man blind nacheifert und deren Stil man kopiert. Nein, das wollte ich nie.
    Allerdings hatte ich Vorbilder. Ein Vorbild kann dir als gutes Beispiel Orientierung geben. Ein Vorbild konnte mir zeigen, wo es langgeht und wo ich selber auch mal hinwollte, allerdings auf meine Weise. Ja, ich wollte auch mal ganz oben sein.
    Vielleicht wurde deshalb der Tiroler Ernst Vettori, nachdem er zweimal die Vierschanzentournee gewonnen hatte, kurzzeitig ein Vorbild. Ich habe ihm sogar mal geschrieben und ein Autogramm bestellt, aber nicht daran geglaubt, dass da was kommt. Nach drei Monaten erhielt ich tatsächlich seine Autogrammkarte, sogar eine zum Aufkleben. Mein Papa hat sie an seinen Werkzeugschrank im Gartenhäuschen gepappt.
    Mein wirkliches Vorbild war damals aber der Finne Matti Nykänen. Weil er so oft so souverän gewonnen hat, vier olympische Goldmedaillen, sechsmal Weltmeister, viermal Gewinner des Gesamt-Weltcups, am Ende insgesamt 46 Weltcupsiege. Nykänen war einfach der Beste seiner Zeit, fast unschlagbar. Aber der Springerstar entwickelte sich später zur tragischen Figur. Alkoholprobleme, Schlägereien, vier Scheidungen. Eine gescheiterte Existenz. Für seine Biografie wählte er den schönen Titel »Grüße aus der Hölle«. Wahrscheinlich ist Matti ein lebender Beweis, dass Genie und Wahnsinn wirklich eng beieinanderliegen können.
    Unser Jens Weißflog war in dieser Zeit, Mitte der 80er-Jahre, ja auch schon ganz oben. Aber er war weniger mein Fall. Einmal, als ich mit meinem Papa nach Oberwiesenthal fuhr, um beim »Freie Presse«-Pokal zuzuschauen, stand ich, der KJS-Schüler, vor ihm, dem Star Jens Weißflog. Und bat ihn um ein Autogramm. Und was macht er? Geht einfach weiter. Da hatte er’s bei mir verschissen.
    »Große Veränderungen in unserem Leben können eine zweite Chance sein.« Harrison Ford, amerikanischer Schauspieler
    Meine Passion: Skispringen
    In meiner Zeit als KJS-Schüler zählten Wettkämpfe immer zu den Höhepunkten des Jahres. Meine Passion war Skispringen. Ich wollte Skispringer sein. Aber für die Funktionäre war ich eine Nachwuchshoffnung der Nordischen Kombination, die nun mal traditionell aus Skilanglaufen und Skispringen besteht. Als Skispringer wollte ich so weit wie möglich kommen. An jeder Schanze fragte ich als Erstes: »Wie weit geht es denn hier?«
    Aber der Skilanglauf? Der war nicht so sehr meine Sache, obwohl mir der rasante Skatingstil wirklich Spaß machte. Aber ich wollte unbedingt reinrassiger Skispringer werden, immer schon. In der KJS Klingenthal hieß es aber von Anfang an klipp und klar: Entweder du bist und bleibst Nordischer Kombinierer – oder du musst raus. Also blieb ich dabei.
    »Als Läufer warst du, na ja, ganz brauchbar«
    Bei Wettkämpfen in der Nordischen Kombination wird ja zuerst gesprungen. Meist führte ich nach dem Springen. Ein paar Mal aber auch nicht. An solchen Tagen, erzählte mein Papa, habe er mich heulen sehen. Vor Enttäuschung, vor Wut. Beim Skispringen wollte ich einfach immer der Beste sein.
    Beim Langlaufen war das ganz anders. Der Kopf machte nicht mit, mir fehlte dieser totale Ehrgeiz und das Kämpferherz. Wenn ein Bolzer wie Ricco Seyfferth, mein Klassenkamerad, in der zweiten Teildisziplin des Wettkampfs an mir vorbeizog, dann war mir das egal. Ich konnte in der Loipe nicht den Biss entwickeln, den ich sonst immer spürte. Ich war nicht mit dem Herzen dabei.
    Und der Verstand bremste mich auch. Beim Training drosselte ich manchmal absichtlich mein Tempo, um meine Unfähigkeit fürs Langlaufen zu demonstrieren. Bei Wettkämpfen wurde ich – nach der Führung im Skispringen – öfters nur Dritter, Fünfter oder sogar mal Zehnter. Aber das wurmte mich überhaupt nicht.
    »Sven, du warst ein überragender Springer«, sagte mir mein damaliger Trainer Uwe Schuricht, als wir ihn in Klingenthal besuchten. Und er fügte schmunzelnd hinzu: »Und als Läufer warst du, na ja, ganz brauchbar.« Mir hätte damals »die innere Einstellung« gefehlt. Aber ich sollte unbedingt für die Nordische Kombination gehalten werden. Anordnung von oben.
    Dann kam die Wende.

    Astreiner Parallelstil: als KJS-Schüler in Klingenthal (1988). Schon damals bin ich über 50 Meter weit gesprungen – und habe die weiten Sätze genossen.

Als Ossi im Westen
    Meine

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