Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)
zu den Wettkämpfen. Wenn ich mal wieder richtig gut gesprungen war, gab es zwischen den Durchgängen eine Belohnung: Westschokolade, Milka-Schokolade. Für zehn Mark kaufte mein Papa im Intershop Auerbach regelmäßig Süßigkeiten ein, Kaubonbons, Haribo und vor allem Schokolade.
Es wurde zu einer wunderbaren Tradition, dass Mama und Papa jeden Samstagabend für meine Schwester Jeannette und mich einen süßen Teller bereitstellten. Besonders diese Leckereien aus dem Westen, die waren für uns Kinder etwas ganz, ganz Tolles.
Als ich 1987 in Oberwiesenthal Spartakiade-Sieger wurde, überraschte mich Papa mit einer Carrera-Skibrille. Das total begehrenswerte Teil hatte er über seine Westkontakte besorgt. Ebenso den weißen Sprunghelm. Den Helm motzte ich dann noch auf – mit Chiquita-Aufklebern aus dem Westen.
Mein Highlight: Das Rennrad hat mein Papa für mich lackiert und aufgebaut.
Andreas Hannawald über seinen Sohn
»Sven war der Grund, dass ich nicht rüber bin«
» Mein ältester Bruder Dieter ist schon 1953 in den Westen. Er hat seine Brotbüchse eingepackt und weg war er. Irgendwie wollte ich ihm auch immer folgen. Aber mit Familie ging das natürlich nicht so einfach. Als seine Silberhochzeit bevorstand, wäre das ein akzeptabler Grund für einen Besuch gewesen. Doch der Reiseantrag wurde von den DDR-Behörden abgelehnt. Ein Jahr später ging der dann doch durch, und so durfte ich 1988 fünf Wochen nach Kanada reisen. Ich wäre verdammt gerne ganz geblieben. Ich weiß noch, wie ich drei Stunden vor dem Abflug völlig verwirrt am Flughafen in Toronto gehockt bin und hin und her überlegt habe, wie es weitergehen soll. Sicherlich hätte die Frau irgendwann nachkommen können. Aber wie würde es mit Sven weitergehen? Seine Karriere als Sportler wäre ganz bestimmt kaputt gewesen, wenn ich in Kanada geblieben wäre. Sven war dann der Grund, dass ich doch wieder zurückgeflogen bin.
Sven war damals 14 Jahre alt. In der KJS (Kinder- und Jugendsportschule) wurde er nicht nur als Talent gesehen, sondern als Jahrhunderttalent. Wenn der Osten weitergegangen wäre – er wäre im DDR-System sicherlich mit 18 oder 19 Jahren in die Weltspitze durchgestartet. Auch im Westen hat man sein Talent erkannt, aber nicht das Supertalent. Ich habe seinen Wechsel nach Furtwangen in den Schwarzwald ja selbst organisiert. Für ihn waren die Verlockungen im Westen natürlich groß, alles war viel freier. Er hat es dann ja auch erst mal ruhig angehen lassen. Sven nennt diese Phase heute Zwischenzeit. Vielleicht war sie wichtig für ihn, um dann doch noch durchstarten zu können – auf seine Weise. «
Wie Andreas Hannawald über die Entwicklung seines Sohns Sven denkt
Unterstützung von den Eltern während eines Wettkampfs
Die Vorbilder meiner Kindheit
Die meiste Freude spürte ich, wenn es endlich auf die Schanze ging. Sprungtraining. Manchmal trainierten nebenan die Großen. Etwa Thomas Abratis, immerhin Juniorenweltmeister in der Nordischen Kombination. Er war fast unser Nachbar. Seine und meine Eltern hatten in Johanngeorgenstadt ihre Schrebergärten gegenüber. An seinem Beispiel konnte ich mitverfolgen, wie große Erfolge möglich sind. Trotzdem schielte ich besonders zu den Spezialisten, den »echten« Skispringern.
Manchmal durften wir Nachwuchsathleten beim Training zuschauen, wenn die Klingenthaler Cracks Manfred Deckert oder Klaus Ostwald dort trainierten. Bei denen habe ich ganz genau hingeschaut. Von welcher Luke fahren die ab? Wie gehen die in die Anlaufspur? Was machen die anders als ich?
Klar, jeder Skispringer schaut gerne anderen Skispringern zu, vor allem, wenn es die Besten der Welt sind. Weil die DDR-Athleten immer zur Weltspitze gehörten, hat das DDR-Fernsehen natürlich alle Highlights übertragen, die Weltmeisterschaften im Skifliegen und natürlich die Vierschanzentournee. Darauf habe ich mich immer unheimlich gefreut. Und ziemlich gelitten, wenn Sendepause war – wenn die Springer zwischen den Wettkämpfen ihre Ruhetage hatten.
Warum mich Jens Weißflog enttäuscht hat
Einer hat mir damals besonders imponiert, es war Vegard Opaas, ein norwegischer Skispringer, der zwischenzeitlich mal den Weitenweltrekord im Skifliegen (193 Meter) hielt. Ein lässiger Typ. Der hatte seinen Helm immer irgendwie auf halb acht aufgesetzt, seine Brille saß total schief, auch sein Mundschutz – Opaas sah immer so aus, als wäre er gerade aufgestanden und schaute jetzt mal kurz beim Springen vorbei.
Aber
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