Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)
ist wirklich ein besonderer Mensch«
Wie die Dipl.-Psychologin Nora Maasberg, Fachärztin für Psychosomatik und Psychotherapie, ab April 2004 mit Sven Hannawald arbeitete
Welchen Eindruck hat der Patient Sven Hannawald auf Sie gemacht, als Sie den ersten Kontakt mit ihm hatten?
Als er in die Klinik kam, hat er ein wenig gefremdelt, er war ängstlich und total erschöpft. Er wirkte auf mich in seiner Schwäche sehr verletzlich. Da war auch dieses Zweifelnde, dieses leicht Misstrauische und gleichzeitig dieses Hoffnungsvolle, dass da irgendwo jemand ist, der ihm helfen kann. Dass seine Situation besser wird. Aber auch Resignation umgab ihn.
Wie lange dauerte es, bis er die Situation angenommen hat?
Sven hat sich schon nach relativ kurzer Zeit einlassen können. Er sagte: ›Okay, hier kann ich loslassen.‹ Das war schon sehr bald zu spüren.
Wie wichtig ist eine persönliche Beziehung zwischen Therapeut und Patient?
Sehr, sehr wichtig. Es gibt ja viele Untersuchungen dazu und sie bestätigen: Der Erfolg einer Therapie hängt vor allem von der Qualität der Beziehung ab. Oft geschieht es sehr schnell, dass der Patient sich gesehen und angenommen fühlt. Dieses spontane Vertrauen ist eine wichtige Basis für den Beginn einer Behandlung und muss im Verlauf der Behandlung immer wieder neu errungen werden.
Wie war das zwischen Sven und Ihnen?
Es war zunächst ganz einfach, mit ihm einen menschlichen Kontakt zu bekommen. Wir haben gleich eine gute Ebene gefunden. Es ist bei jeder Therapie so: Da kommt ein neuer Patient zur Tür herein, man sieht sich, und man weiß irgendwie – das klappt oder das klappt nicht.
Woran merken Sie das?
Das ist eine menschliche intuitive Fähigkeit. Es ist belegt, dass ein kleines Kind, welches sich an die Mutter richtet, in weniger als einer Sekunde weiß, ob der Kontakt gelingt oder aber nicht. Unsere meist unbewussten Wahrnehmungsprozesse registrieren sehr viel. Klar, man kann sich auch mal täuschen. Aber das ist selten. In der Praxis finden Probegespräche statt, damit beide überprüfen können, ob sie miteinander arbeiten können.
Was waren die typischen Burn-out-Symptome bei Sven?
Wenn ich von Sven nichts gewusst hätte, hätte ich auch annehmen können, er habe eine schwere Depression ohne die Burn-out-Faktoren. Diese Mischung aus körperlicher und emotionaler Niedergeschlagenheit – wir nennen das eine Minussymptomatik –, seine Selbstvorwürfe, seine Grübeleien, die Zukunftsängste, der Bericht von Schlafstörungen, seine Unfähigkeit, sich zu freuen, seine Unruhe und motorische Agitiertheit, also seine körperliche Rastlosigkeit, all dies sind Zeichen einer depressiven Entwicklung.
Wie erkannten Sie dann aber doch ein Burn-out bei Sven?
Das typische für Burn-out bei ihm erschließt sich aus der Entwicklung der Erkrankung: jahrelange körperliche Leistung auf Höchstniveau, ein hoher Leistungs- und Konkurrenzdruck, die Fixierung auf eine Identität als Hochleistungssportler, die Vernachlässigung von anderen Lebensbereichen, ja auch der Supererfolg aus dem Jahr 2002, der eigentlich nicht zu wiederholen ist – all dies führte zu einem Ausbrennen.
Wie beschreiben Sie ganz allgemein das Burn-out-Syndrom?
Der Begriff »burn out« kommt aus dem Englischen und bedeutet: »ausbrennen« bzw. Ausgebranntsein. Die Übersetzung trifft es gut: In dem Begriff steckt die Botschaft, dass man sich zumindest angestrengt und verausgabt haben muss. Burn-out ist ein Zustand ausgesprochener emotionaler Erschöpfung mit reduzierter Leistungsfähigkeit. Er kann als Endzustand einer Entwicklungslinie bezeichnet werden, die mit idealistischer Begeisterung beginnt und über frustrierende Erlebnisse zu Desillusionierung und Aggressivität führt, bis hin zu Apathie, und sich in psychosomatischen Erkrankungen und Depression ausdrückt. Man versucht sich häufig zu stabilisieren, indem man sich noch kränker macht, zu Suchtmitteln greift, sich zurückzieht, soziale Kontakte verliert, zunächst noch mehr arbeitet oder Leistung erzwingen will und allmählich immer arbeitsunfähiger wird. Üblicherweise wird bei der Diagnose angenommen, vor dem Burn-out sei man gesund gewesen, aber das ist wohl definitionsabhängig. Wie bei den meisten psychischen Erkrankungen gibt es schon vorher Einschränkungen oder Vulnerabilitäten, also Verletzbarkeiten, die dann durch Belastungen krankheitswertig werden.
Was hat die Arbeit mit Sven für Sie so besonders gemacht?
Zunächst einmal war das Besondere,
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