Mein Hund Mister Matti
ein Baby.
Ich hatte Mum nie zuvor so heftig weinen gesehen. Mir wurde ganz schlecht. Also ging ich zu ihr hin, aber ich wusste nicht, was ich tun sollte. Mister Matti dagegen schon. Er schmiegte sich an Mum und leckte ihr das Gesicht. Ihre Nase lief, und sie wischte sie einfach an dem Laken ab. Dann legte sie den Arm um Mister Matti und um mich und zog uns beide fest an sich. Ich erwiderte ihre Umarmung. Mat kann niemanden umarmen, deshalb leckte er uns beiden das Gesicht ab und schlug mit seinem Schwanz gegen unsere Körper.
Mum wiederholte immer wieder, wie leid es ihr tue, dass ich das alles mitansehen musste. Alles wäre nur ein »groÃes Missverständnis«. Sie und Dad stünden »unter einer groÃen Anspannung«. Aber ich müsste mir keine Sorgen machen. Eltern hätten eben manchmal Streit und sagten Dinge, die sie nicht sagen sollten. Alles würde gut werden und nichts würde sich ändern.
Aber das stimmte nicht ganz. Es änderte sich einiges. Onkel Gavin besuchte uns nicht mehr, und wir fuhren nicht mehr zu ihm. Und Dad machte keine Witze mehr über seinen »kleinen Bruder«. Auch Mum und Dad veränderten sich. Sie wurden sehr schweigsam. Ich weiÃ, das klingt besser, als wenn sie sich angeschrien hätten. Aber das ist nicht so.
Wer sich nicht veränderte, war Mister Matti. Auch nach der furchterregenden Transformer-Nummer war er immer noch der alte Mat.
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22Â Â MISTER MATTI UND DAD
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Mum sagte immer, Mister Matti könne gut zuhören. Und das stimmte. Amelia redete ununterbrochen auf ihn ein, wenn sie ihn verkleidete. Ich sprach auch mit ihm. Eigentlich immer. Sogar heute noch. Aber ich hätte nie gedacht, dass Dad viel mit Mister Matti sprach. Doch da irrte ich.
Das fand ich heraus, als ich eines Abends Dad das Essen brachte. Dad hatte seine Stelle beim Staudamm gekündigt und arbeitete stattdessen im kommunalen StraÃenbau. Dort ist er immer noch. Jetzt kommt er jeden Abend nach Hause, nicht nur am Wochenende, aber er ist immer müde und schmutzig und von schwarzem StraÃendreck bedeckt. Und er kommt meist sehr spät. Er macht nämlich haufenweise Ãberstunden, weil er mit Grace »ein Maul mehr stopfen muss«. Wahrscheinlich isst er deshalb jetzt immer ganz allein unten in der Werkstatt.
Meistens bedeckt Mum Dads Essen mit einer Folie und lässt es auf dem Herd stehen, solange wir essen. Dann bringt sie es ihm später runter, wenn er Zeit gehabt hat, »ein bisschen abzuschalten«. Aber wenn es nicht zu spät ist, bittet Mum manchmal auch mich, es ihm zu bringen.
So fand ich heraus, dass auch Dad mit Mister Matti spricht. Eines Abends ging ich die Hintertreppe hinunter und hörte ihn. Zuerst dachte ich, er wäre an seinem Handy, aber als ich durch das Gitter spähte, sah ich, dass er einfach nur an unserem alten Küchentisch saÃ, der früher oben stand, bevor wir den neuen bekamen. Er machte noch eine Flasche Bier auf und goss es in sein Glas. Dann fing er wieder an zu reden.
Ich sorgte mich ein bisschen, als ich das sah, denn ich dachte, Dad würde Selbstgespräche führen. Aber dann klopfte er auf seinen Oberschenkel, und Mister Mattis groÃer Kopf kam unter dem Tisch hervor. Mit ihm hatte er also die ganze Zeit geredet. Es war sehr merkwürdig zuzuhören, wie Dad mit Mister Matti sprach, als wäre er ein Mensch. Denn seit der Sache mit Onkel Gavin sprach Dad mit niemandem besonders viel.
Es war nicht richtig, dass ich Dad belauschte. Aber ich wollte wissen, worüber er mit Mister Matti sprach. Es ging um die zwei Wochen, die Mat verschwunden war. Dad fragte Mat, was er angestellt habe und wohin er gegangen sei und welches Geheimnis er hüte. Und zum Schluss sagte er: »Aber du bist wieder zurückgekommen, nicht wahr, groÃer Junge?« Daran erinnere ich mich, denn als Dad das gesagt hatte, trank er sein ganzes Bier in einem groÃen Zug aus. Dann sagte er: »Du und ich, wir beide.«
Dad schien sich die Augen zu reiben, als er das sagte, und es sah ein bisschen so aus, als würde er weinen. Das tat er natürlich nicht, denn Dad weint nie. AuÃer damals, als Amelia Mister Matti bemalt hatte, aber da musste er so sehr lachen. Wahrscheinlich rieb Dad sich nur die Augen, weil er müde war oder weil ein bisschen Dreck hineingeraten war. Denn er war ja immer noch ganz schmutzig und verschmiert, weil er den ganzen Tag lang eine StraÃe gebaut
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