Mein irisches Tagebuch
überwältigt wurden. Und das in keinem Land so dauerhaft wie in Irland.
Und den Grundstein dafür hat St. Patrick gelegt.
Es gibt kein katholisches Land, wo der Einfluß eines Nationalheiligen lebendiger wäre als in diesem .Jedes Kind weiß von den vierzig Tagen und Nächten, die St. Patrick in der Höhle von Station Island, einer Klosterinsel im Lough Derg, County Donegal, zugebracht haben soll. Ein Wallfahrtsort besonderer Art, der Dichter und Erzähler inspiriert haben soll, von Dantes »L’ Inferno« über Calderons Drama »Das Fegefeuer des Heiligen Patrick« bis zur Erzählung »Liebe und Pilgerfahrt« des modernen irischen Schriftstellers Sean O’Faolain.
In meinem Reisekalender dick vermerkt ist der letzte Sonntag im Juli. An ihm werden, wie jedes Jahr, zahlreiche Pilger hoch zum Gipfel des 753 Meter hohen Bergs Croagh Patrick, County Mayo, steigen. Dort soll der Heilige lange gefastet und, ein später Mose, mit Gott Zwiesprache gehalten haben.
Tausende von Büßern oder auch nur Wanderlustigen werden auf ungeheuer beschwerlichen Pfaden und unter streng vorgeschriebenen (aber vielleicht nicht immer streng eingehaltenen) Riten der zwar sichtbaren, aber fernen Spitze zustreben, ehe sie dort oben an der kleinen Kirche verschnaufen und sich einen großartigen Blick über die Clew Bay bis Clare Island und Achill Island gönnen.
Sag einfach Paddy zu mir
Die Legenden um Irlands Heilige sind unerschöpflich.
Eine davon gilt St. Brendan, Patron der Diözese Kerry. 448 geboren, soll er mit dreizehn Mönchen auf einer Fahrt, die sieben Jahre gedauert hat, Amerika erreicht haben und auch von dort wohlbehalten zurückgekehrt sein.
Diesem Christenmenschen und seinen Maaten bin ich auf der Spur. Über den O’Connor Paß nach Brandon Head und Brandon Mountain.
In langen Serpentinen geht es von Dingle hoch, eine wildromantische Gebirgsstraße, deren Enge bei Gegenverkehr streckenweise keine Ausweichmöglichkeiten bieten würde. Dazu drohen an der Seite unanständig geformte Felsnasen in so abenteuerlichen Fallwinkeln, daß ich froh bin, die Paßhöhe erreicht zu haben. Die Regenwolken sind zum Glück so hoch, daß der Blick nach hinten und vorn gleichermaßen frei ist: im Süden, jenseits der Dingle Bay, die weiße Brandung vor der Silhouette von Iveragh, im Norden das gischtige Panorama der Brandon und der Tralee Bay.
Am seenahen Fuß des in Nebel gehüllten Brandon Mountain, an der Stelle, wo die Fahrt begann und geendet haben soll, stoße ich auf eine Karte und auf ein Modell des Bootes, auf dem der Heilige und seine Begleiter sich eingeschifft haben sollen.
Die Grafik markiert die Seeroute und ihre stepping stones nach der Beschreibung von St. Brendan, als da sind: die Hebriden, die Färöer-Inseln, Island, Grönland, Neufundland und ein Stück Küste südlich davon.
Das Modell des Bootes, grün oxidiert, ein Nachen mit Segel eher, läßt mich schaudern, besonders wenn ich nach links schaue, wo das Meer anbrandet, und zwar gewalttätig, obschon es heute nur schwach weht.
Einen hölzernen Rahmen -a wooden frame - soll das Schiffchen gehabt haben, von Lederriemen verstärkt, von Flachs zusammengehalten und mit Wollfett abgedichtet - »with flax and protected by wool grease«, steht da.
Nach vierzehntägigem Fasten auf Brandon Mountain sind die vierzehn Mönche mit ihrem geistlichen Kapitän in See gestochen und gesund und wohlbehalten zurückgekehrt - mag das glauben, wer’s glauben will.
Ein Oxford-Graduierter (dessen Name mein Tonband mit Tim Severin wiedergibt, ohne daß ich die Garantie für die Richtigkeit der Schreibweise übernehmen kann) jedenfalls tat es und machte die Tour zu seinem Steckenpferd. Nachdem er sich selbst zum Explorer, also Entdecker, erklärt hatte, stieß er am 17. Mai 1974 mit vier anderen Männern in einem Boot gleichen Typs von der nämlichen Stelle ab, um zu beweisen, daß die Fahrt des irischen Heiligen nicht nur möglich gewesen sei, sondern auch wahrscheinlich (probable ). Dabei hätten sich alle Schilderungen des Heiligen und seiner Seebären bestätigt von den Hebriden und Färöer-Inseln über Island und Grönland bis Neufundland -das nach dreizehn Monaten erreicht worden sei. Alle von den Vorschiffern beschriebenen Landschaften seien eindeutig zu identifizieren gewesen. Sogar die Vogelarten und die Nebelfelder sollen sich an den gleichen Stellen befunden haben, nur eben 1400 Jahre später.
Während ich spüre, daß meine Zweifel an der geglückten 5
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