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Mein irisches Tagebuch

Mein irisches Tagebuch

Titel: Mein irisches Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Giordano
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000-Kilometer-Überseefahrt des Heiligen Brendan und der Seinen über das Nordmeer unüberwindlich sind, allein so menschlicher Notdürfte wegen wie Bevorratung, Wasser und Schlafgelegenheit auf einer ebenso beengten wie zerbrechlichen Nußschale, schlägt der Atlantik tief unten, Welle auf Welle, seine nassen Pranken in das schmale Fjord, von dem aus die Reise gestartet sein soll. Gleichzeitig ist zu erkennen, wie hoch die Flut an dieser Küste steigen kann, nämlich bis zur abgedunkelten Linie des Felsens, also gut zehn Meter höher als derzeit.
    Mit diesem Bötchen auf das wilde Meer, und das noch auf der Route, die am stürmischsten ist, die nördliche, und gar bis Amerika?
    In meine Skepsis tönt eine bellende Stimme. Sie kommt aus dem Mund eines Mannes, den ich auf über achtzig schätze und der mir fest in die Augen schaut - was ich hier täte und triebe?
    Er wartet meine Antwort allerdings nicht ab, sondern lädt mich umgehend zu einem Tee in sein Haus ein, keine fünf Minuten Fußweg entfernt. Bis dahin hat er mich ziemlich umfassend in die Hauptstationen seiner Biographie eingeführt.
    Er heißt Patrick Cotton, ist 86 Jahre alt, hat 8 Kinder und 22 Enkelkinder, von denen die Hälfte ausgewandert ist. In seiner Jugend war er Straßenarbeiter in England, kehrte zurück und heiratete. Seither bewirtschaftet er eine kleine Farm, allein, nachdem seine Frau - Mary Cotton - vor zwanzig Jahren gestorben ist. Seitdem sorge sein Sohn für ihn - der da. Er zeigt auf einen etwa fünfzigjährigen Treckerfahrer, der gerade in den Hof einbiegt, die Hand zum freundlichen Gruß erhebt, aber draußen bleibt. Dann bugsiert mich der Alte - »Sag einfach Paddy zu mir« - ins Haus und verheißt mir einen Tee. Ich habe das untrügliche Gefühl, daß daraus nichts wird, ohne sagen zu können, warum.
    An der Wand jede Menge von stark kolorierten Jesus- und blauweißen Maria-Bildern, auf dem Kühlschrank eine angegessene Schnitte Brot, Milchkleckse auf dem Tisch, alte Eierschalen neben ungeöffneter Post, die Schränke sind geöffnet.
    Nachdem Paddy Wasser aufgesetzt hat, erfahre ich, daß er etliche Kühe und Schafe hat, zweimal in Dublin war und im Fernsehen am liebsten Cowboyfilme sieht, vor allem, »wenn darin Leute mit irischen Namen auftauchen«.
    Das alles gibt er in bellendem Ton von sich, wie Menschen, die seit langem schlecht hören.
    Als das aufgesetzte Wasser nach einer halben Stunde immer noch nicht erhitzt ist, steht der Alte zögernd auf, guckt in einen Kasten an der Wand und sagt: »Mal wieder kein Strom.« Dann macht er es sich auf dem heruntergesessenen Sofa gemütlich und kommt endlich auf seine Anfangsfrage zurück - was mich denn hierhergetrieben habe?
    Da begehe ich den Fehler und offenbare Patrick Cotton meine Zweifel: Ist der Heilige Brendan denn nun wirklich über den Ozean nach Amerika geschippert? Der 86jährige japst nach Luft.
    Drei Stunden später, in Stockfinsternis und ohne daß ich in dieser Zeit auch nur ein einziges Wort gesagt hätte, werde ich händeschüttelnd verabschiedet.
    Nun aber in genauer Kenntnis, zu welcher Tageszeit und mit welchen Segenswünschen für die Zurückgebliebenen St. Brendan eineinhalb Jahrtausende zuvor von der irischen Küste abgesegelt ist; welchen Kurs die vierzehn genommen haben - Hebriden, Färöer-Inseln, Island, Grönland und Neufundland; wie viele Vaterunser auf der Reise gebetet worden sind (1622) und daß der Heilige, »fast wie Jesus«, seine Mannschaft mit wenig Brot und Früchten bei Kräften gehalten, den haushohen Wogen mit dem Kreuz getrotzt und Boot und Insassen sicher ans Ziel und zurück gesteuert hat. »I think, five, six thousand miles about«, bellt ein strahlender Patrick Cotton seinen letzten Satz so laut wie seinen ersten. Jetzt weiß ich es genau.
    Aber auch, daß ich Paddy nicht vergessen werde. Er war es, der mir eine Ahnung gab von einem irischen Typus, über den ich gerade las und den ich für so gut wie ausgestorben gehalten hatte.
     

Denn Menschen wie uns wird es nicht mehr geben
     
    Auf der R (Route) 559 entlang der Südküste bei Dingle zum Slea Head.
    Stechpalmen, baumhoch, Pinien, ein Flair südlicher Vegetation. Vor Ventry eine Gruppe rucksackbepackter Jugendlicher, wohl mit dem gleichen Ziel, aber zu Fuß auf dem Weg zu Irlands westlichstem Westen.
    Noch zehn Minuten Fahrt, die Paßstraße immer aufwärts, und da endlich werden die Inseln von der Höhe des Kap Slea sichtbar, ragen sie dumpf aus dem Meer - Blasket Islands!
    Die

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