Mein ist dein Herz
Kleiderproblem besteht aber nach wie vor ...«
»Jane ...!«
»Schon gut, schon gut!« , japst sie.
»Ich hätte da eine Idee!« , höre ich eine weitere Stimme am anderen Ende der Leitung.
»War das deine Freundin?«
»Nein ...«
»Schwester?«
»Auch nicht« , verneint sie eindeutig schmunzelnd.
»Doch nicht etwa ...?« Ich wage es nicht einmal, dies laut auszusprechen.
Und Jane stellt mir stattdessen die Frage, ob sie etwas mitbringen sollte.
»Ja! Dich und dein Lächeln ...«, erwidere ich müde und streiche mir dieses lästige Gefühl aus dem Gesicht.
»Bis gleich mein Schatz!« , haucht sie ins Telefon und legt sofort auf.
Ob ich es mir eingebildet habe?
Nein! Eindeutig! Sie hat gerade ›mein Schatz‹ zu mir gesagt, und zwar mit jener Zärtlichkeit, die mich zum Wimmern bringen könnte, wäre ich ein kleiner Welpe. Gerissen! Zumal ich beinahe vergesse, dass mich der Grund für ihr fernbleiben auf die Palme bringen sollte.
Verdammt sei ihre ›Zuckerbrott und Peitsche‹-Technik!
Ebenso, wie meine Vernarrtheit in diese eigensinnige, sture und nicht immer leicht zu verstehende Frau!
Kapitel 34
D as Verhalten meiner Mutter fällt dermaßen aus der Norm, dass ich einfach nur baff und bereits seit mehreren Minuten verstummt bin. Sie hingegen quatscht ohne Punkt und Komma und schleppt mich durch das kleine Geschäft meiner Tante. Vor dem Kleiderständer mit den Ballkleidern kommen wir beide schließlich zum Stehen.
Mit den Worten: »Ich will ihn unbedingt kennen lernen!«, werde ich in die Umkleidekabine geschubst und muss zusehen, wie mir - einer erwachsenen Frau - zunächst aus der Jeans geholfen und im Anschluss darauf in ein Kleid hineingeholfen wird.
Die abfällige Bemerkung über meine ›Haut und Knochen‹-Figur, kann Mum sich genauso wenig sparen, wie den besorgten Blick auf meine Kleidergröße.
Kurzum werde ich gar nicht gefragt, ob das fliederfarbene Kleid mir zusagt oder nicht. Dies wird einfach von mir heruntergezerrt, und noch unterdessen ich in meine Hose steige und mir das Shirt über den Kopf stülpe, an der Kasse bezahlt. Mit Familienrabatt versteht sich!
Kaum aus der Kabine gestiegen, werde ich einem Sklaven gleich angeschubst.
Im Auto angekommen, verlangt meine sonst absolut gesetzestreue Mutter, dass ich ordentlich Gas gebe, feuert mich regelrecht an, als die Ampel vor uns auf Gelb schaltet, und jubelt laut, weil ich diese trotz des äußerst ›dunklen‹ Orangetons passiere.
Vor dem Elternhaus werde ich erneut mit den Fingern im Rücken vorangeschubst und just im Flur angelangt, ein weiteres Mal entkleidet. Bevor sie mir ziemlich unsanft den Haargummi runterzerrt - ein Büschel Haare inklusive - schnappt sie sich Deo und Parfumflasche und besprüht mich abwechselnd aus beiden Flaschen. Das Bild erinnert mich unweigerlich an einen Ninja, der sein Gegenüber mit einer Gasattacke betäuben will.
Ich muss Husten, komme allerdings nicht dazu, mir den grässlichen Geschmack des Parfums von Lippen und Zunge zu wischen, weil meine Mutter sich nun einen Kamm schnappt und sich dran macht, meine schulterlange Mähne zu kämmen.
Hsch. Hsch. Hsch. Hsch, ist alles, was ich höre. Und das Herausreißen meiner Haare, das Einzige, was ich spüre.
»Schmink dich!«, befiehlt sie mir, während ich mit einem Zischen an meine geschundene Kopfhaut fasse.
»Spinnst du? Ich kann mich doch nicht schminken, während du mich für das Tragen einer Perrücke vorbereitest!«
»Red doch keinen Unsinn, Kind! Ich werde gleich eine ganz tolle Frisur zaubern, die deine Naturwelle so richtig zur Geltung bringt. Sean wird hin und weg sein, sobald ich mit dir fertig bin.«
»Ja! Er wird vor Begeisterung im Dreieck herumspringen, wenn ich da mit einer Glatze antanze.«
Mein Sarkasmus wird von ihr ignoriert. Sie weiß eben, dass ich das nicht so meine, wie ich es sage. Stattdessen bekomme ich endlich ihre erste Frage zu hören, welche ich eigentlich schon eine Stunde vorher erwartet habe. »Ist er einer von uns?«
»Ein Mensch? Jop! Ist er!«, spotte ich.
»Engländer! Ist er ein Engländer?«
»Nein! Er lebt in Deutschland. Also ist er ein Deutscher.«
»Ach Jane!« Sie verpasst mir einen Klaps auf den Po, sodass ich aufschreie.
Autsch! Das tut doch weh!
»Ja ist er ...«, beeile ich mich zu sagen, um einem weiteren Klaps zu entgehen. Bei Mrs. Bears weiß man niemals so genau ...
»Oh wie schön!«, bemerkt sie und blickt verträumt zur Decke. »Groß, hübsch? Hat er dunkle Augen oder helle?
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