Mein ist dein Herz
selbst, dass ich lediglich einen Satz herausbringen kann.
»Hochzeit in Kempten ... komme zu spät.«
Die Augen des Polizisten weiten sich, die Gesten seiner Hände deuten mir, Ruhe zu bewahren und ehe ich verstehen kann, was vor sich geht, überrumpelt er mich mit seiner falschen Vermutung.
»Ich kann doch nicht zulassen, dass die Braut zu spät kommt! Folgen sie mir, und falls sie in Kempten jemand anhält, berufen sie sich einfach auf mich. Herr Martin von der Polizeiwache in Bad Wörishofen.«
Damit dreht er sich um, setzt sich in sein Auto, lässt das Schild ›Polizei - Bitte Folgen‹ weiterhin leuchten, macht aber zu dem das Blaulicht an und drückt so kräftig auf die Tube, dass ich das Gaspedal regelrecht durchdrücken muss, um mit ihm mitzuhalten.
Dazu kann ich im Nachhinein nur eines sagen: Das glaubt mir keiner!
Kaum die Grenze zu Kempten passiert, verabschiedet sich Herr Martin mit einem Winken von mir - an ihn und seine völlig unkonventionelle Verhaltensweise werde ich wohl noch oft zurückdenken - und biegt nach rechts, Richtung Bundeswehrkaserne ab. Lediglich fünf Minuten später parke ich das Auto an dem nächstgelegenen Parkplatz unweit der Halle, wo die Feier stattfindet, schminke mich zu Ende und steige nach einem tiefen Atemzug, bei dem ich die Augen schließe und in mich gehe, aus.
Den Eingang in die Halle entdecke ich rein zufällig. Anders formuliert stoße ich zunächst auf ein paar der Hochzeitsgäste, die sich im Schatten von ein paar Bäumen unterhalten, mit denen der kleine, kreisförmige Platz umsäumt ist.
Ein passender Zeitpunkt, um Sean anzurufen und herauszubitten, wie ich finde, weil ich mir doch ziemlich blöd dabei vorkommen würde, wenn ich jetzt einfach so mitten in die Feier hereinplatze.
Gerade in dem Augenblick, als ich mein Handy zu fassen bekomme, tippt mir jemand auf die Schulter. Ich fahre herum und sehe in Seans Gesicht, dessen Ausdruck ich beim besten Willen nicht deuten kann. Es ist eine Mischung aus Erstaunen, Entsetzen und Müdigkeit.
Wortlos nimmt er mich an der Hand, zieht mich aber anders als erwartet nicht auf das Gebäude zu, sondern in Richtung der Bänke. Dort angekommen setzt er sich hin, dreht mich um, sodass ich ihm den Rücken zukehre und ehe ich mich versehen kann, legt er mich übers Knie und verpasst mir einen Klaps auf den Po. Einen dermaßen festen, dass ich beinahe hochspringe.
Warum geht mir heute jeder an die Wäsche? , frage ich mich. Und wäre es nicht doch schlauer, der üppig gefüllten Halle fernzubleiben, bei meinem heutigen Glück, eins auf den Hintern zu bekommen?
»Spinnst du?«, fauche ich so leise wie möglich, weil sämtliche Blicke sich nun auf uns gerichtet haben. Sean sagt weiterhin kein einziges Wort, dreht mich so hin, dass ich auf seinen Knien sitze, und gibt mir einen eindringlichen Kuss. Dabei streichelt er einfühlsam über die Stelle, die nun unter dem kühlen Seidenstoff zu glühen scheint.
»Mach das bitte nie wieder! Ich dachte, ich werde vorzeitig ergrauen!«, flüstert er an meine Lippen und ich vernehme erst jetzt den süßlich herben Geruch von Alkohol, der von seinem Mund ausgeht. »Nun lass mich dich meiner Familie vorstellen ...«
Sean zieht mich wieder auf die Beine, strafft den Stoff seiner Hose - er trägt eine schwarze Anzughose und ein schneeweißes Hemd, dessen Kragen wie immer ein paar Knöpfe weit offen steht und einen ›gütigen‹ Blick auf den Ansatz seiner Brust gewährt. Kurzum, er schaut zum Anbeißen gut aus! Ich vergesse bei diesem Anblick sogar meinen Groll auf ihn und seine kindische Tat. Und der Blick, den er mir zuwirft, entschädigt mich für die kleine Demütigung von eben, da er von tiefer, ehrlicher und bedingungsloser Hingabe erzählt. Jener Leidenschaft, die einer Frau das Gefühl verleiht, sie wär die Königin auf Erden!
Kapitel 35
S elbst eine Stunde später frage ich mich noch, wieso ich mich dermaßen daneben benommen habe, als Jane plötzlich vor meiner Nase aufgetaucht ist und jeden mit ihrer grazilen Art verstummen ließ.
Das Kleid, ein glänzendes, hellviolettes Fließ, welches jede auch nur so kleine Rundung in ihrer schlanken Silhouette perfekt unterstreicht und sie wie eine Nymphe erscheinen lässt, ihre Frisur und überhaupt die ganze Haltung, bezaubert mich auch jetzt, obwohl ich ihren Anblick längst gewöhnt sein müsste. Und hier liegt auch des Rätsels Lösung vergraben, zu dem Thema ›Seans schlechte Laune‹ ...
Allein auf dieser Hochzeit gibt es
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