Mein ist dein Herz
rund dreißig junge Frauen. Allesamt sehr hübsch, vermeintlich nett und ein paar von ihnen sicherlich an mir interessiert. Allerdings sehe ich keine Einzige von ihnen. Ich meine, ich sehe sie schon, nur blicken meine Augen durch sie hindurch. Sie alle sind wie unwichtige Passanten auf meinem Weg. Nicht mehr und nicht weniger! Wohingegen Janessa Bears die Verkörperung von allem ist, was ich liebe und brauche.
I ch war in der Tat sogar ein bisschen eifersüchtig, als meine Eltern sie direkt nach ihrer Ankunft von einem Tisch zum andren geschleppt haben, um ihr die ganze Familie vorzustellen und Jane regelrecht überschüttet wurde mit Komplimenten. Und das trotz dem, dass diese Schmeicheleien im überwiegenden Teil an mich gerichtet sind.
»Welch charmante und sanfte Frau du dir doch geangelt hast!«, war der Satz, den ich den gesamten Abend über zu hören bekam. Und es hätte mich sicherlich noch eine ganze Weile aufgeregt, wäre Jane nicht wie immer viel schlauer, als manch andere Frau an ihrer Stelle wäre. Sie antwortete irgendwann ebenfalls mit einem Standardsatz, der viele in Erstaunen versetzte.
»Ein Mann wie Sean, bekommt und behält eben nur das, was er selbst will und für angemessen hält.« Dem fügte sie meistens ein zuckersüßes Lächeln bei, dass ihrer eh schon exotischen Schönheit etwas Einmaliges verlieh.
Janes Verhalten und Auftritt machte mich stolz. Stolz darauf, dass sie zu mir gehört, dankbar dafür, dass sie doch noch gekommen ist und dennoch beschlich mich das ungute Gefühl, sie wäre nicht ganz bei der Sache. Als ob dies alles eine Pflichveranstaltung wäre, bei der ich sie vorführe wie eine Puppe.
Mir war plötzlich danach, sie durch das Prisma dieser Empfindung anzuschauen, was ich auch sofort umsetzte. Bilanz nach zwei Gesprächen, die sie mit einer meiner Großtante und dann mit der Schwester meines Vaters geführt hatte: Meine Intuition hat sich nicht geirrt ...
Die zarte Haut ihrer Wangen, welche Make-up überhaupt nicht gewohnt sind, hüllt sie heute unentwegt in Puder oder sonst so ein getöntes Zeug. Dies wird jede halbe Stunde aufgefrischt, als wäre es für sie unsagbar wichtig, etwas darunter zu verstecken. Ihre Iriden, meist zwei Edelsteine, die sämtliche Lichter der Umgebung einfangen, sobald sie nach Kempten kommt, liegen derzeit hinter einem trüben Schleier. Und nun das Merkwürdigste überhaupt, was mir vorher niemals aufgefallen ist: Ihre Gestik!
Sie werden es mir nicht glauben, aber ich lese anhand von ihr ab, als wären ihre Handflächen zwei Karten, die dünnen Finger Kompassnadeln und jede wohlüberlegte Regung die Angabe zu dem, wie schnell ich mich in die vorgegebene Richtung bewegen sollte.
Als mir dann auch noch auffällt, dass Janes Hand augenfällig oft in der Tasche verschwindet, das Handy ein winziges Stück weit herausholt und sie nach einem Blick darauf noch nervöser wird, weiß ich ganz genau, was Sache ist. Von da an gilt es, den passenden Moment abzuwarten, um sie mit meiner Erkenntnis zu konfrontieren.
Lediglich eine halbe Stunde später bin ich vollkommen nüchtern und beobachte mit nunmehr wachsendem Interesse, wie betrunken der Rest unserer Feiergesellschaft ist. Es gibt bereits drei Proleten, die beide Arme vor sich auf den Tisch gelegt haben und ihre Stirn obendrauf.
Witzig auch, dass ihre Freundinnen - zumindest denke ich, dass sie das sind, weil sie mir eben so vorgestellt wurden - zwar etwas sicherer auf den Beinen stehen, allerdings neben den Typen, die nach wie vor dumme Sprüche klopfen können.
Das bringt mich zu der Einsicht, wie toll es doch ist, solchen Feierlichkeiten beizuwohnen, wenn man nüchtern ist. Man behält dadurch Würde und Freundin im Blickfeld.
Apropos! Wo ist sie eigentlich?
Es braucht nicht lange, ehe klar ist, dass Miss Bears den Raum verlassen hat, was bedeutet, dass auch ich keinen Grund habe, um länger dazusitzen und die peinlichen Aktionen meiner Verwandten anzuschauen.
»Hast du Jane gesehen?«, frage ich meine erschöpft wirkende Mutter.
Sie schüttelt, wie bereits erwartet den Kopf. »Zuletzt habe ich sie bei Nancy und Dean sitzen sehen ... Soll ich dir bei der Suche helfen?«
»Nein, nein«, winke ich ab. »Ruh dich aus. Weit kann sie nicht gekommen sein.«
Hoffe ich doch zumindest ...
Letzten Endes folge ich meiner Intuition, die mich in Richtung Waschräume vorantreibt, und höre - da diese sich im Keller befinden - sofort ihre Stimme. Diese kommt jedoch nicht aus der Frauen- oder
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