Mein ist der Tod
wischte mit dem Arm durch die Luft.
Gar nichts wirst du. Anständige Leute verfolgen und Frauenmörder frei rumlaufen lassen, das ist die neue Zeit.
Ich habe Sie nicht verstanden, sagte Michaela Bossi.
Sie haben mich sehr gut verstanden. Sie sollten sich besser um die Gefahr kümmern, in der die Frauen dieser Stadt sind! Stattdessen wühlen Sie in Zeiten, von denen Sie keine Ahnung haben! Was mit diesem Neger passiert ist, geht uns nichts an. Aber es gab damals noch Deutsche mit Anstand, die wussten, was sich gehört und was nicht! Wenn er erschlagen worden ist, dann völlig zu Recht und in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen. Dass die heute anders sind, dafür kann ich nichts!
Martin Paintner, der mit dem Rücken zur Anrichte unglücklich dastand wie ein Kind, machte einen zaghaften Versuch, seinen Vater zur Vernunft zu bringen.
Du solltest jetzt nichts sagen, Vater, alles wird Dr. Grohe regeln, er weiß am besten, was du sagen sollst und was nicht!
Ach? Verbietet mir der eigene Sohn im eigenen Haus das Maul? Im gemachten Nest sitzen und großtun, das hab ich gerne. Ich habe mein Leben lang gesagt, was ich denke, und ich ändere das nicht, verstanden?
Unerwartet hob Helmut Paintner den Kopf und widersprach dem älteren Bruder:
Du hast diese Familie tyrannisiert, seit unser Vater aufgehört hat, uns zu tyrannisieren. Du bist genau so ein Mörder, wie ich es bin und wie unser Vater es war. Ich werde nicht auf Dr. Grohe hören. Ich werde aussagen. Alles, was ich weiß. Ich werde endlich alles, alles sagen. Und Sie glauben gar nicht, Frau Bossi, wie froh ich darüber bin.
Gernot Paintner versuchte zu lachen, aber jeder konnte hören, dass ihm nicht danach war.
Dieser Mann ist, ich muss es leider sagen, obwohl er mein Bruder ist, seit zwanzig Jahren in psychiatrischer Behandlung. Er ist völlig unzuverlässig, sein Erinnerungsvermögen ist durch die Medikamente, die er leider braucht, nahezu zerstört. Auf den können Sie nicht bauen. Er ist einfach nicht zurechnungsfähig.
Helmut Paintner sah seinen Bruder fassungslos an.
Der lehnte sich in seinem Stuhl zurück und redete ungerührt weiter: Wenn er sich selbst bezichtigt, bitte, vielleicht hat er ja damals sogar den Neger umgebracht, weil der seine Schwester geschwängert hatte, kann sein, ich weiß es nicht, Helmut hat Freya sehr gemocht, wer weiß, was passiert ist. Ich weiß es jedenfalls nicht. Und wahrscheinlich weiß er es selbst auch nicht mehr.
Er stand auf und kam auf Michaela Bossi zu. Er musste dabei an seinem Sohn vorbeigehen und würdigte ihn keines Blicks.
Damit wäre das wohl erledigt.
Die Chefermittlerin stand auf und nahm ihre Tasche vom Tisch.
Wir können Ihr Erscheinen auch richterlich erzwingen lassen, Herr Paintner. Dann werden Sie vorgeführt, mit Polizei vor dem Haus und Blaulicht und dem ganzen unschönen Aufwand. Möglicherweise sickert das vorher zur Presse durch, und es stehen Reporter dabei. Wenn Ihnen das lieber ist.
Ich höre daraus eine Erpressung und werde das meinem Anwalt mitteilen, sagte Gernot Paintner. Und diesen Wisch da können Sie wieder mitnehmen.
Besser, Sie geben ihn Ihrem Anwalt.
Er wandte sich ab und verließ das Salonzimmer. Martin Paintner lehnte regungslos mit dem Rücken an der Anrichte und starrte ins Leere. Noch war ihm der Niedergang des Hauses Paintner nicht bewusst, doch er ahnte, dass die Familie die Wiederkehr ihrer Vergangenheit nicht mehr vermeiden konnte.
Helmut Paintner, den die Erinnerung an den Mord nie losgelassen hatte, saß vornübergebeugt, bedeckte seinen Kopf mit den Händen, und das Zucken seiner Schultern ließ Michaela Bossi vermuten, dass er lautlos weinte.
Sie nickte Martin Paintner zu und verließ das Haus, atmete vor der Tür tief durch und kramte in ihrer Tasche nach Zigaretten.
Swoboda bewunderte die Haltung der alten Dame und war dankbar für ihre Freundlichkeit. Freya saß, gepflegt wie immer, das weiße Haar nach hinten gebunden, die hellblaue Bluse frisch gebügelt, in ihrem Rollstuhl und hatte ihn und Törring gebeten, am Teetisch vor dem Kamin Platz zu nehmen. Dorina servierte den Kaffe und wollte sich zurückziehen.
Törring hielt sie auf. Wir möchten auch mit Ihnen sprechen, Frau Radványi.
Setzen Sie sich zu uns, Dorina, forderte Freya sie auf, und wandte sich dem Kriminalhauptkommissar zu.
Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen, Herr Törring, ich habe nur deshalb nach Herr Swoboda verlangt, weil ich ihn so gut kenne. In meinem Alter möchte man nicht
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