Mein ist der Tod
wir in der Schule tauschten. Ich habe es auch wirklich benutzt. Irgendwann bekam ich raus, wer diese Francesca war, und dass ihre Geschichte in einem großen Gedicht vorkam. Auf die Weise bin ich an Dantes Göttliche Komödie geraten. Aus Geilheit, wenn du so willst. Aber es war meine Erlösung. Du kannst das nicht verstehen, denn deine Welt ist dunkel und gemein. Meine Welt ist das Paradies.
Er hob den Kopf und sah sie an: The Paradise, you know?
Seine Stimme war so dumpf geworden, dass Aminata die Wörter nicht mehr identifizieren konnte. Wie durch eine Wand hörte sie, dass er sich an etwas zu erinnern schien, das irgendwie mit ihr zu tun hatte. Sein Gesicht, das gar nichts Jungenhaftes mehr hatte, verschwamm an den Rändern, seine Stimme entfernte sich mehr und mehr und war bald nur noch ein leise hallendes Echo. Der Fluss vor ihren Augen wurde breit wie der Gambia River und färbte sich mit dem Feuer eines roten Sonnenballs, der in ihn eintauchte.
Sie sah, wie alles um sie herum glühte, und verlor das Bewusstsein.
Korell fing sie auf, als sie zur Seite sank, und legte sie sanft auf dem Steg ab. Er leerte die Wasserflasche, aus der sie getrunken hatte, in den Fluss und warf die Flasche hinterher, sah sie zwischen den Wellenblitzen davontreiben und lächelte.
Was für ein herrlicher Tag, an dem ihm mühelos alles gelang!
TAGEBUCH
Ich habe mich unnachsichtig geprüft. Nichts deutet darauf hin, dass ich meine Pläne ändern müsste.
Es ist schon raffiniert, wie du dich als Afrikanerin tarnst und uns glauben machen willst, dass es weiße Schwarze gibt. Ich muss zugeben, du wirst von Wiederkehr zu Wiederkehr hübscher. Am hässlichsten warst du als Agnes.
Ich bin nicht unempfänglich für Schönheit, wie man an meinen Gedichten sieht. Doch meine Liebe gehört der Wahrheit. Der Reinheit. Das Böse ist nicht intelligenter als das Gute, darum verfängt dein Betrug nicht bei mir.
Das Fegefeuer wartet auf dich, Hydraminata, und wenn ich selber dabei mit verbrenne, soll es mir recht sein. Es wird meinen Dichterruhm nur fördern.
Auf mich wartet das Paradies, auf dich die Verdammnis.
Ich freue mich auf meine Lesung heute Abend. Leider kannst du nicht zuhören. Vielleicht gebe ich dir noch eine Privatlesung, bevor du brennst.
XVI
Die siebte Terrasse
SIE KLINGELTE AM TOR DES BAROCKHAUSES Tuchwebergasse 12. Michaela Bossi hatte darauf bestanden, die Vorladung selbst zu überbringen. Die Familie sollte wissen, dass es keine Hoffnung auf lokale Verbindungen oder Rücksichten gab.
Kurz darauf stand sie im Salon der Villa, stellte sich vor und war überrascht, neben dem Hausherrn Martin Paintner nicht nur seinen Onkel Helmut, sondern auch seinen Vater Gernot anzutreffen.
Dann muss ich ja nicht mehr zum Kornmarkt, sagte sie freundlich.
Martin Paintner bot ihr einen Stuhl an
Ich hoffe, Sie sind gekommen, um uns die Freigabe der sterblichen Überreste von Iris mitzuteilen. Wir müssen ja die Beerdigung planen.
Sie setzte sich und legte ihre Aktenmappe vor sich auf den Tisch.
Leider nein. Das wird wohl noch etwas dauern. Mir tut das, was Ihrer Tochter zugestoßen ist, wirklich sehr leid. Aber ich kann Ihnen über die Freigabe im Moment nichts Genaues sagen.
Und warum stören Sie dann? Ich habe meine Enkelin verloren! Wissen Sie nicht, was Pietät ist?, fragte Gernot Paintner, der am anderen Ende des ovalen Tisches neben seinem Bruder saß und in seinem Tonfall unverhohlen seine Aversion gegen die Chefermittlerin anklingen ließ.
Ich weiß, warum sie da ist, sagte Helmut Paintner leise.
Dich habe ich nicht gefragt.
Michaela Bossi öffnete ihre Mappe und entnahm ihr die Formulare.
Ich habe hier zwei Vorladungen, sagte sie ruhig, für Gernot Paintner, geboren am 4.9.1924, wohnhaft in Zungen an der Nelda, Kornmarkt 2, und für Helmut Paintner, geboren am 30.7.1926, wohnhaft in Zungen an der Nelda, Tuchwebergasse 12, wegen des Verdachts auf gemeinschaftlich begangene, vorsätzliche Tötung des Yoro Mboge, französischer Kriegsgefangener, Geburtsdaten noch nicht ermittelt, sowie des Alois Dietz, Fischer, geboren 15.5.1872, am 12. oder am 13. April 1945. Die Verdächtigen werden im Rahmen der Ermittlungen zur Vernehmung einbestellt. Fluchtgefahr besteht nicht, auf Untersuchungshaft wird mit Rücksicht auf das Alter der Verdächtigen verzichtet.
Sie schloss die Mappe und zog sie an sich. Die beiden Papiere lagen auf dem Tisch, keiner griff danach.
Ich kann gleich mitkommen, sagte Helmut Paintner. Sein Bruder
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