Mein ist die Stunde der Nacht
gut gekannt. Karen hatte an der Columbia Medical School in Manhattan studiert, und ihre Eltern besaßen eine Wohnung in Manhattan. Sie pflegten ihre Tochter dort zu besuchen. Tatsächlich war Karen bis zu der Nacht, in der sie getötet wurde, nur selten nach Cornwall gekommen.
Wir sind immer in Kontakt geblieben, dachte Jean. Immer wenn sie nach Washington gekommen sind, haben sie mich angerufen und zum Essen eingeladen. Michael Sommers war vor Jahren gestorben, aber Alice hatte von dem Klassentreffen erfahren und sie angerufen, um sie am Samstag, vor der geplanten Besichtigung von West Point, zum Frühstück einzuladen.
In der Zeit, die sie mit Laura hätte verbringen sollen, hatte Jean einen Entschluss gefasst. Morgen, wenn sie Alice besuchen würde, würde sie ihr von Lily erzählen und ihr das Fax und den Brief zeigen, der mit der Haarbürste gekommen war. Wer auch immer der Unbekannte war, er musste irgendwelche Unterlagen bei Dr. Connors gesehen haben, dachte sie. Es musste jemand sein, der sich zu dieser Zeit hier in der Umgebung aufgehalten hatte oder jemanden kannte, der Zugang zu den Unterlagen besaß. Alice könnte mir helfen, eine geeignete Person bei der Polizei zu finden, an die ich mich wenden könnte. Sie hat immer davon gesprochen, dass sie noch auf der Suche nach Karens Mörder seien.
»Jean, ich freue mich, dich wiederzusehen.« Mark Fleischman hatte sich mit Robby Brent unterhalten, doch jetzt war er auf sie zugetreten. »Du siehst wunderbar aus, aber du wirkst etwas bekümmert. Hat dich dieser junge Bursche von der Zeitung erwischt?«
Sie nickte. »Ja, Mark. Ich war entsetzt. Ich wusste nichts von den Todesfällen. Abgesehen von Debbie und natürlich Alison.«
Fleischman nickte. »Ich auch nicht. Nicht einmal das mit Debbie wusste ich. Ich habe mich für nichts mehr interessiert, was mit Stonecroft zusammenhing, bis Jack Emerson Kontakt mit mir aufgenommen hat.«
»Was hat Perkins dich gefragt?«
»Er wollte wissen, ob ich als Psychologe bestätigen kann, dass eine so hohe Anzahl von Todesfällen innerhalb einer so kleinen Gruppe ungewöhnlich ist. Ich habe geantwortet, dass ich nicht erst irgendwo nachschlagen muss, um zu wissen, dass diese Zahl jenseits von Gut und Böse rangiert. Selbstverständlich ist sie außergewöhnlich hoch.«
Jean nickte. »Er sagte, dass seinen Recherchen zufolge eine solche Häufung allerhöchstens in Kriegszeiten denkbar ist. Aber er sagte auch, dass es Beispiele von Familien oder Schulklassen oder Mannschaften gibt, die wie verhext erscheinen. Mark, ich glaube nicht, dass wir verhext wurden. Aber ich finde es trotzdem unheimlich.«
Jack Emerson hatte mitgehört. Das Lächeln, mit dem er ihre Erfolge aufgezählt hatte, war gewichen und hatte einem Ausdruck von Verärgerung und Sorge Platz gemacht. »Ich hatte diesen Perkins doch ausdrücklich gebeten, die Liste nicht mehr herumzuzeigen«, sagte er.
In diesem Augenblick stieß Carter Stewart mit Laura Wilcox zu ihnen. »Ich kann dir versichern, dass er sie immer noch herumzeigt«, sagte er knapp. »Und ich kann nur jedem, der noch nicht von ihm ausgefragt worden ist, empfehlen, ihm deutlich zu verstehen zu geben, dass man
die Liste nicht zu sehen wünscht. Ich jedenfalls habe es so gehalten.«
Jean stand seitlich vom Eingang, und Laura übersah sie, als sie die Raumnische betrat. »Darf ich mich zu euch gesellen?« , scherzte sie. »Oder bin ich aus Versehen in einen Männerclub geraten?«
Lächelnd ging sie von einem zum andern, besah sich die Namensschilder genau und küsste jeden auf die Wange. »Mark Fleischman, Gordon Amory, Robby Brent, Jack Emerson. Und natürlich Carter, den ich noch als Howie kenne und der mich noch nicht geküsst hat. Ihr seht alle toll aus. Seht ihr, das ist der Unterschied. Ich war mit sechzehn auf dem Höhepunkt, und danach ging es nur noch bergab. Ihr vier und Howie, ich meine Carter, hattet damals gerade erst mit dem Aufstieg begonnen.«
Jetzt hatte sie auch Jean entdeckt und stürzte auf sie zu, um sie zu umarmen.
Damit war das Eis gebrochen, und alle entspannten sich zusehends. Mark Fleischman beobachtete, wie die höflichen Mienen sich in amüsiertes Lächeln verwandelten und die Ehrengäste anfingen, den besseren Weinen zuzusprechen, die man extra für sie bereitgestellt hatte.
Laura sieht immer noch umwerfend aus, dachte Mark. Acht- oder neununddreißig, wie wir alle, aber sie könnte glatt für dreißig durchgehen. Das Cocktailkostüm, das sie anhat, sieht teuer
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