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Mein ist die Stunde der Nacht

Mein ist die Stunde der Nacht

Titel: Mein ist die Stunde der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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richtig Hunger.

11
    UM ZWEI UHR MORGENS gab Jean die Hoffnung auf, einschlafen zu können, machte Licht und schlug ein Buch auf. Aber nachdem sie eine Stunde gelesen hatte, ohne auch nur einen Satz wirklich aufzunehmen, legte sie es entnervt beiseite und knipste die Lampe wieder aus. Jeder Muskel ihres Körpers schien angespannt zu sein, und unter der Schädeldecke spürte sie herannahende Kopfschmerzen. Die Anstrengung, trotz der Sorge um Lily den ganzen Abend ihren gesellschaftlichen Pflichten zu genügen, hatte sie total erschöpft. Sie hatte begonnen, die verbleibenden Stunden bis zehn Uhr zu zählen, wenn sie Alice Sommers besuchen und ihr von Lily erzählen würde.
    Immer wieder gingen ihr dieselben Gedanken durch den Kopf. Keiner Menschenseele habe ich in all den Jahren je etwas von ihr erzählt. Die Adoption lief über private Kanäle. Dr. Connors ist tot, und seine Unterlagen wurden vernichtet. Wer kann etwas über sie wissen? Ist es möglich, dass ihre Adoptiveltern meine Identität herausgefunden haben? Vielleicht haben sie jemand anders davon erzählt, und dieser andere hat dann Kontakt zu mir aufgenommen. Aber warum?
    Das Fenster, das zur Rückseite des Hotels hinausging, stand offen, und es wurde allmählich kalt im Zimmer. Jean zögerte noch eine Weile, dann schlug sie seufzend die Decke
zurück. Wenn ich die Hoffnung nicht ganz aufgeben will, doch noch ein bisschen zu schlafen, sollte ich es besser schließen, dachte sie. Sie stand auf und tappte durch das dunkle Zimmer. Als sie sich fröstelnd vorbeugte, um den offenen Flügel einzuholen, warf sie einen Blick hinunter. Ein Auto bog mit ausgeschaltetem Licht auf den Parkplatz des Hotels ein. Neugierig geworden, beobachtete sie die Silhouette eines Mannes, der ausstieg und mit raschen Schritten auf den Hintereingang des Hotels zulief.
    Er hatte den Mantelkragen hochgeschlagen, aber als er die Tür öffnete, war sein Gesicht deutlich zu erkennen. Jean wandte sich wieder ab. Was in aller Welt hat einer unserer ehrenwerten Tischgenossen zu so später Stunde da draußen noch zu tun gehabt?, fragte sie sich.

12
    DER ANRUF ERREICHTE die Polizeidienststelle von Goshen um drei Uhr morgens. Helen Whelan aus Surrey Meadows wurde als vermisst gemeldet. Eine unverheiratete Frau, Anfang vierzig. Ein Nachbar hatte sie zuletzt gesehen. Helen Whelan hatte ihren Deutschen Schäferhund, Brutus, gegen Mitternacht ausgeführt. Um drei Uhr morgens war ein Ehepaar, das ein paar Ecken weiter am Rande des County-Parks wohnte, von lautem Hundegebell und -jaulen aus dem Schlaf geschreckt worden. Sie waren der Sache nachgegangen und hatten einen Schäferhund gefunden, der verzweifelt versuchte, auf die Beine zu kommen. Man hatte ihm mit einem schweren Gegenstand brutal auf Kopf und Rücken geschlagen. Nicht weit davon entfernt wurde auf der Straße ein Damenschuh Größe achtunddreißig gefunden.

    Um vier Uhr morgens wurde Sam Deegan verständigt und zu dem Fall hinzugezogen. Er war zunächst bei Dr. Siegel vorbeigefahren, dem Tierarzt, der den verwundeten Hund untersucht hatte. »Ich schätze, dass er durch die Schläge auf den Kopf einige Stunden lang bewusstlos war«, erläuterte Siegel. »Sie müssen mit einem Gegenstand von der Größe und dem Gewicht eines Wagenhebers ausgeführt worden sein.«
    Sam sah den Ablauf vor sich: Helen Whelan hatte ihren Hund von der Leine gelassen, damit er im Park seinen Auslauf
bekam. Jemand hatte sie allein auf der Straße stehen sehen und versucht, sie in ein Auto zu zerren. Der Schäferhund war herbeigerannt, um sie zu beschützen, und daraufhin bewusstlos geschlagen worden.
    Er fuhr in die Straße, in der das Tier gefunden worden war, und begann, die umliegenden Häuser abzuklappern. Beim vierten Haus antwortete ihm ein älterer Mann, er habe gegen halb eins einen Hund wie wild bellen hören.
    Helen Whelan war eine beliebte Sportlehrerin an der Surrey Meadows Highschool. Sam erfuhr von mehreren ihrer Kollegen, dass ihre Gewohnheit, spätabends mit dem Hund spazieren zu gehen, allgemein bekannt war. »Sie hatte deswegen keine Bedenken. Sie sagte immer, dass Brutus sein Leben aufs Spiel setzen würde, um sie zu beschützen«, erzählte der Direktor betroffen.
    »Und damit hatte sie Recht«, entgegnete Sam. »Der Tierarzt musste Brutus einschläfern.«
    Um zehn Uhr morgens festigte sich sein Eindruck, dass dieser Fall nicht so leicht zu lösen sein würde. Nach Auskunft ihrer völlig verzweifelten Schwester, die im nahe gelegenen Newburgh

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