Mein ist die Stunde der Nacht
einen anderen mittelgroßen, unauffälligen schwarzen Wagen mieten. Falls sie anfingen nachzuforschen und auf die Idee kamen, alle Autos der Teilnehmer des Klassentreffens zu überprüfen, würde seines auf diese Weise durch die Maschen schlüpfen.
Als die Eule gerade ein Jackett aus dem Schrank holte, flimmerte eine aktuelle Meldung über den Schirm: »Ein junger Reporter von der Stonecroft Academy in Cornwall-on-Hudson hat enthüllt, dass möglicherweise ein Zusammenhang zwischen dem Verschwinden der Schauspielerin Laura Wilcox und einem unbekannten Täter besteht, den er den ›Mittagstisch-Serienkiller‹ nennt.«
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»MONSIGNORE, ICH KANN GAR nicht genug betonen, wie dringend unsere Bitte ist«, erklärte Sam Deegan Monsignore Robert Dillon, dem Pfarrer der Gemeinde St. Thomas von Canterbury. Sie saßen im Arbeitszimmer des Pfarrhauses. Der Pfarrer, ein dünner Mann mit vorzeitig weiß gewordenen Haaren und einer randlosen Brille, hinter der intelligente Augen funkelten, saß hinter seinem Schreibtisch. Die Faxnachrichten, die Jean erhalten hatte, lagen vor ihm ausgebreitet. Auf einem Stuhl gegenüber von ihm steckte Sam gerade Lilys Haarbürste in einen Plastikbeutel zurück.
»Wie Sie sehen, lässt die letzte Nachricht die Vermutung zu, dass sich Dr. Jean Sheridans Tochter in großer Gefahr befindet. Wir versuchen, ihren amtlichen Geburtseintrag herauszufinden, aber wir sind nicht einmal sicher, ob die Geburt hier oder in Chicago, wo das Kind geboren wurde, registriert worden ist«, fuhr Sam fort.
Noch während er sprach, empfand er die Vergeblichkeit seiner Bemühungen, zu einem schnellen Durchbruch zu kommen. Monsignore Dillon konnte nicht viel älter als Anfang vierzig und noch nicht hier gewesen sein, als Lily möglicherweise in dieser Kirche getauft wurde. Überdies hätten ihre Adoptiveltern sie natürlich unter dem eigenen Nachnamen und einem neuen Vornamen angemeldet.
»Ich verstehe, wie dringend die Angelegenheit ist, und Sie werden verstehen, dass ich vorsichtig sein muss«, sagte Monsignore Dillon langsam. »Aber, Sam, das größte Problem ist, dass die Leute ihre Kinder nicht mehr notwendigerweise innerhalb von wenigen Wochen oder Monaten nach der Geburt taufen lassen. Früher war es üblich, dass ein neugeborenes Kind innerhalb von sechs Wochen getauft wurde. Heutzutage lassen sich die Leute viel Zeit damit. Wir sind nicht begeistert über diese Entwicklung, aber sie hat nun mal stattgefunden. Und vor zwanzig Jahren war es ähnlich. Unsere Pfarrgemeinde ist ziemlich groß und aktiv, und es werden bei uns nicht nur die eigenen Gemeindeglieder getauft, sondern häufig auch die Enkelkinder von Gemeindegliedern.«
»Ich verstehe, aber vielleicht könnte man zunächst mit den drei Monaten nach Lilys Geburt anfangen, und wir könnten wenigstens bei den damals getauften Mädchen nachfragen. Ich nehme an, dass die meisten Leute kein Geheimnis aus einer Adoption machen.«
»Das ist richtig, im Allgemeinen sind sie stolz darauf, Adoptiveltern zu sein.«
»Dann, glaube ich, würden die Adoptiveltern sicher etwas über eine mögliche Bedrohung ihrer Tochter erfahren wollen, es sei denn, sie steckten selbst hinter diesen Faxen an Dr. Sheridan.«
»Ja, das denke ich auch. Ich werde meine Sekretärin beauftragen, die Liste zusammenzustellen. Aber Sie werden verstehen, dass ich, bevor ich sie Ihnen aushändige, zunächst alle aufgeführten Personen persönlich anrufen und ihnen erklären muss, dass möglicherweise ein Mädchen, das zu dieser Zeit adoptiert wurde, in Gefahr ist.«
»Monsignore, das würde viel Zeit in Anspruch nehmen, und genau die haben wir womöglich nicht«, protestierte Sam.
»Pater Arella wird mir helfen. Meine Sekretärin wird die Leute anrufen, und während ich mit den einen spreche, wird
sie die nächsten anrufen und bitten, einen Moment zu warten. Das wird nicht allzu lange dauern.«
»Und was ist mit denen, die Sie nicht erreichen? Monsignore, dieses neunzehnjährige Mädchen ist unter Umständen in unmittelbarer Gefahr.«
Monsignore Dillon nahm das letzte Fax in die Hand, und während er es noch einmal durchlas, verdüsterte sich seine Miene. »Sam, ich gebe Ihnen Recht, diese letzte Botschaft ist sehr beunruhigend, aber Sie werden verstehen, dass wir vorsichtig sein müssen. Damit wir keine rechtlichen Schwierigkeiten bekommen, sollten Sie einen richterlichen Befehl erwirken. Auf diese Weise könnten wir Ihnen die Namen sofort herausgeben. Aber ich möchte dennoch
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