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Mein ist die Stunde der Nacht

Mein ist die Stunde der Nacht

Titel: Mein ist die Stunde der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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worden waren. Dann rollte sie ihren Stuhl zurück, stand widerwillig auf und murmelte vor sich hin: »Du liebes bisschen, das klang ja fast, als ginge es um Leben und Tod.«

45
    DOROTHY CONNORS WAR eine zerbrechlich wirkende alte Dame, der Jean auf den ersten Blick ansah, dass sie an Gelenkrheumatismus litt. Sie bewegte sich langsam, und ihre Fingergelenke waren geschwollen. Auf ihrem Gesicht zeigten sich Schmerzfalten, und sie trug ihr weißes Haar sehr kurz, vermutlich, dachte Jean, weil es ihr schwerfiel, die Arme zu heben.
    Ihr Haus war eines dieser reizvollen, vornehmen Besitztümer mit Blick auf den Hudson. Sie lud Jean ein, auf der Sonnenveranda neben dem Wohnzimmer Platz zu nehmen, wo sie, wie sie sagte, die meiste Tageszeit verbrachte.
    Als sie von ihrem Mann sprach, leuchteten ihre wachen braunen Augen auf. »Edward war der wunderbarste Mensch, Ehemann und Doktor, den man sich vorstellen kann«, sagte sie. »Dieses schreckliche Brandunglück hat ihn das Leben gekostet, der Verlust seiner Praxis und aller seiner Unterlagen. Das hat letztlich zu seinem Herzanfall geführt.«
    »Mrs Connors, ich habe Ihnen am Telefon erklärt, dass ich Drohbriefe erhalten habe, die sich gegen meine Tochter richten. Sie ist jetzt neunzehneinhalb Jahre alt. Ich muss unbedingt ihre Adoptiveltern ausfindig machen und sie warnen. Bitte helfen Sie mir. Hat Dr. Connors mit Ihnen über mich gesprochen? Ich könnte mir denken, aus welchem Anlass er das getan hätte. Meine Eltern haben sich damals in der Stadt
zum allgemeinen Gespött gemacht mit ihren öffentlichen Schlägereien, und sie sind nur so lange zusammengeblieben, bis sie mich aufs College abschieben konnten. Deshalb hat Ihr Mann verstanden, dass ich sie nicht um Hilfe bitten konnte. Er hat zur Tarnung eine Geschichte arrangiert, sodass ich einen Grund hatte, nach Chicago zu gehen. Er ist sogar zu mir gekommen und hat das Baby selbst zur Welt gebracht, in der Notfallstation der Entbindungsklinik.«
    »Ja, das hat er für eine Reihe von Mädchen getan. Er wollte ihnen dabei helfen, ihre Geschichte geheim zu halten. Jean, vor fünfzig Jahren war es nicht leicht für ein unverheiratetes Mädchen, ein Kind zu bekommen. Wussten Sie, dass die Schauspielerin Ingrid Bergman im Kongress öffentlich angeprangert wurde, weil sie ein uneheliches Kind zur Welt gebracht hatte? Die Maßstäbe, an denen Verhalten gemessen wird, ändern sich – zum Besseren oder zum Schlechteren, das mag jeder für sich entscheiden. Heutzutage finden die meisten Leute überhaupt nichts mehr dabei, wenn eine unverheiratete Frau ein Kind zur Welt bringt und aufzieht, aber mein Mann war da altmodisch. Vor zwanzig Jahren sorgte er sich sehr darum, die Intimsphäre seiner jungen schwangeren Patientinnen zu schützen, auch mir gegenüber. Bevor Sie es mir gesagt haben, wusste ich nicht einmal, dass Sie seine Patientin waren.«
    »Aber über meine Eltern müssen Sie doch Bescheid gewusst haben.«
    Dorothy Connors sah Jean einen langen Augenblick schweigend an. »Ich wusste, dass sie Probleme hatten. Ich habe sie in der Kirche gesehen und mich ein paarmal mit ihnen unterhalten. Ich habe das Gefühl, meine Liebe, dass Sie nur die schlechten Zeiten in Erinnerung behalten haben. Es waren doch auch attraktive, intelligente Menschen, die leider nur nicht zusammenpassten.«
    Jean hatte einen leisen Tadel herausgehört und spürte, dass sie auf merkwürdige Weise in die Defensive gedrängt worden
war. »Dass sie nicht zusammenpassten, das steht hundertprozentig fest«, sagte sie und hoffte, dass ihr stiller Ärger nicht herauszuhören war. »Mrs Connors, ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar, dass Sie mir so kurzfristig erlaubt haben, zu Ihnen zu kommen, aber ich werde mich jetzt kurz fassen. Meine Tochter schwebt möglicherweise in großer Gefahr. Ich weiß, dass Sie das Andenken Ihres Mannes in Ehren halten, aber wenn Sie irgendetwas darüber wissen, an wen er meine Tochter vermittelt haben könnte, dann müssen Sie es mir einfach sagen.«
    »Ich schwöre Ihnen, Edward hat niemals über Patientinnen in Ihrer Lage mit mir gesprochen, und ich habe nie gehört, dass er Ihren Namen erwähnte.«
    »Und er hat keine Papiere zu Hause aufbewahrt, und alle Praxisunterlagen sind verloren gegangen?«
    »Ja, so ist es. Das gesamte Gebäude wurde vollständig zerstört, sodass sofort der Verdacht auf Brandstiftung aufkam, aber es konnte nicht bewiesen werden. Mit Sicherheit sind keine Unterlagen aus der Praxis erhalten

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