Mein Katalonien
zufällig mit I.L.P.-Papieren ankam). Aber ich hatte keine Ahnung, daß es zwischen den politischen Parteien ernstliche Unterschiede gab. Wenn jemand bei Monte Pocero auf die Stellung zu unserer Linken zeigte und sagte: »Das sind die Sozialisten« (also die P.S.U.C.), war ich verwirrt und sagte: »Sind wir nicht alle Sozialisten?« Ich fand es idiotisch, daß Leute, die um ihr Leben kämpften, verschiedenen Parteien angehören sollten. Meine Einstellung lautete immer: »Warum können wir nicht all diesen politischen Unsinn fallenlassen und einfach mit dem Krieg weitermachen?« Das war natürlich die richtige »antifaschistische« Haltung, die von den englischen Zeitungen sehr sorgfältig verbreitet wurde, hauptsächlich um die Leute davon abzuhalten, die wahre Natur des Kampfes zu begreifen. In Spanien jedoch, besonders in Katalonien, konnte niemand diese Ansicht lange aufrechterhalten. Jeder auch noch so Uneinsichtige mußte früher oder später Partei ergreifen. Selbst wenn man für die politischen Parteien und ihre sich befehdenden Ansichten nichts übrig hatte, konnte man nicht übersehen, wie eng das eigene Schicksal damit verknüpft war. Als Milizsoldat war man ein Soldat gegen Franco, aber man war auch eine Schachfigur in dem riesigen Kampf, der zwischen zwei politischen Theorien ausgefochten wurde. Wenn ich am Berghang verzweifelt nach Brennholz suchte und mich wunderte, ob das wirklich Krieg war oder ob die News Chronicle ihn nur erfunden hätte, als ich mich vor dem Feuer der kommunistischen Maschinengewehre während des Aufruhrs in Barcelona duckte und als ich schließlich mit der Polizei auf meinen Fersen aus Spanien floh – geschah das, weil ich in der P.O.U.M.-Miliz diente und nicht in der P.S.U.C. So groß ist der Unterschied zwischen zwei Abkürzungen!
Um die verschiedenen Auffassungen auf der Regierungsseite zu verstehen, muß man sich daran erinnern, wie der Krieg ausbrach. Als die Kämpfe am 18. Juli begannen, spürte wahrscheinlich jeder Antifaschist in Europa eine erregende Hoffnung,
denn hier stand anscheinend endlich die Demokratie gegen den Faschismus auf. Während der letzten Jahre hatten sich die demokratischen Staaten Schritt für Schritt dem Faschismus unterworfen. Man hatte den Japanern erlaubt, in der Mandschurei zu tun, was sie wollten. Hitler war zur Macht gekommen und fuhr fort, die politischen Gegner aller Schattierungen zu massakrieren. Mussolini hatte die Abessinier bombardiert, während dreiundfünfzig Nationen (ich glaube, es waren dreiundfünfzig) abseits standen und fromme Sprüche von sich gaben. Aber als Franco versuchte, eine gemäßigt links orientierte Regierung zu stürzen, lehnten sich entgegen allen Erwartungen die spanischen Menschen gegen ihn auf. Es schien – vielleicht war es sogar – die Wende der Flut.
Aber es gab gewisse Einzelheiten, die sich der allgemeinen Aufmerksamkeit entzogen. Zunächst einmal konnte man Franco strenggenommen nicht mit Hitler oder Mussolini vergleichen. Sein Aufstieg war eine militärische Meuterei, die von der Aristokratie und der Kirche unterstützt wurde, und vor allem war es besonders am Anfang weniger ein Versuch, den Faschismus durchzusetzen, als den Feudalismus wiederherzustellen. Das bedeutete, daß sich nicht nur die Arbeiterklasse, sondern auch verschiedene Kreise der liberalen Bourgeoisie gegen Franco stellten – gerade jene Leute, die den Faschismus in seiner moderneren Form sonst unterstützen. Noch wichtiger war, daß die spanische Arbeiterklasse Franco nicht, wie es vielleicht denkbar gewesen wäre, im Namen der Demokratie und des Status quo widerstand. Ihr Widerstand wurde begleitet, oder man könnte fast sagen, er nährte sich eigentlich aus einem kompromißlosen revolutionären Aufbegehren. Die Bauern bemächtigten sich des Grund und Bodens, viele Fabriken und der größte Teil des Transportsystems wurden von den Gewerkschaften übernommen, Kirchen wurden zerstört und die Priester weggetrieben oder getötet. Unter dem Beifall des katholischen Klerus konnte die Daily Mail Franco als einen Patrioten darstellen, der sein Land von einer Horde teuflischer »Roter« befreite.
Während der ersten Kriegsmonate waren Francos wirkliche Gegner weniger die Regierung als die Gewerkschaften. Sobald die Revolution ausbrach, antworteten die organisierten Arbeiter in den Städten mit der Ausrufung des Generalstreiks und verlangten dann Waffen aus den öffentlichen Arsenalen, die sie nach einigen Kämpfen auch erhielten. Falls
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