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Mein Katalonien

Titel: Mein Katalonien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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Kommunisten erklärten überall, so etwas sei undenkbar.
    Ohne Zweifel hatten sie recht, solange sie lauthals beteuerten, daß das »rote« Spanien nicht »rot« sei. Seit 1914-18 hat der »Krieg für die Demokratie« einen bösen Beigeschmack. Jahrelang hatten die Kommunisten selbst den militanten Arbeitern in allen Ländern beigebracht, daß Demokratie ein höflicher Name für Kapitalismus sei. Es ist keine gute Taktik, wenn man zuerst sagt: »Demokratie ist ein Schwindel« und dann: »Kämpft für die Demokratie!« Hätten sie, mit dem riesigen Ansehen Sowjetrußlands hinter sich, die Arbeiter der Welt nicht im Namen eines demokratischen Spaniens, sondern eines revolutionären Spaniens aufgerufen, kann man sich kaum vorstellen, daß eine Antwort ausgeblieben wäre.
    Das wichtigste aber ist, daß eine nichtrevolutionäre Politik es schwer, wenn nicht sogar unmöglich machte, einen Schlag gegen Francos Hinterland zu führen. Im Sommer 1937 kontrollierte Franco einen größeren Teil der Bevölkerung als die Regierung, sogar viel größer, wenn man auch die Kolonien mitzählt. Er tat das mit der gleichen Anzahl Truppen. Wie jedermann weiß, ist es unmöglich, mit einer feindlichen Bevölkerung im Rücken eine Armee im Feld zu halten, ohne eine gleich große Armee zur Bewachung der Verbindungswege und zur Unterdrückung von Sabotage und so weiter zu haben. Offensichtlich gab es also keine richtige volkstümliche Bewegung im Rücken Francos. Es war undenkbar, daß die Bevölkerung in seinem Herrschaftsbereich, jedenfalls die Arbeiter in den Städten und die ärmeren Bauern, Franco gern hatten oder sogar seine Regierung wünschten. Aber der Vorzug der Zentralregierung wurde mit jedem Schritt zur Rechten hin weniger offensichtlich – Marokko gab den Ausschlag. Warum gab es keine Revolution in Marokko? Franco versuchte, dort eine berüchtigte Diktatur einzurichten, und die Mauren zogen ihn tatsächlich der Volksfrontregierung vor! Die harte Wahrheit ist, daß kein Versuch gemacht wurde, einen Aufruhr in Marokko anzustiften, denn das hätte bedeutet, dem Krieg wieder eine revolutionäre Konstruktion zu geben. Die erste Notwendigkeit wäre gewesen, die Freiheit Marokkos zu verkünden, um die Mauren von den guten Absichten zu überzeugen. Wir können uns vorstellen, wie sich die Franzosen darüber gefreut hätten! Die beste strategische Gelegenheit des Krieges wurde weggeworfen in der vagen Hoffnung, so den französisch-britischen Kapitalismus zu besänftigen. Die gesamte Tendenz der kommunistischen Politik bestand darin, den Krieg auf einen normalen, nichtrevolutionären Krieg zu reduzieren, in dem die Zentralregierung sehr stark benachteiligt war. Denn ein Krieg dieser Art muß durch mechanische Mittel, das heißt letzten Endes durch einen unbegrenzten Waffennachschub gewonnen werden. Der Hauptwaffenlieferant der Zentralregierung, die UdSSR, hatte aber im Vergleich mit Italien und Deutschland einen großen geographischen Nachteil. Vielleicht war die Losung der P.O.U.M. und der Anarchisten »Der Krieg und die Revolution sind untrennbar« weniger visionär, als es klang.
    Ich habe meine Gründe dargelegt, warum ich glaubte, die kommunistische, antirevolutionäre Politik sei falsch gewesen. Ich hoffe jedoch nicht, daß sich mein Urteil im Hinblick auf ihre Auswirkung auf den Krieg als richtig erweist. Ich hoffe tausendmal, daß mein Urteil falsch ist. Ich möchte gerne sehen, daß dieser Krieg durch jedes nur mögliche Mittel gewonnen wird, und wir können natürlich nicht sagen, was sich ereignen wird. Die Regierung wird sich vielleicht wieder der Linken zuwenden. Vielleicht revoltieren die Mauren aus eigener Initiative. England mag sich dazu entschließen, Italien aufzukaufen. Vielleicht kann der Krieg auch durch direkte militärische Maßnahmen gewonnen werden. All das kann man nicht wissen. Ich lasse die oben geschilderten Ansichten stehen, wie sie sind, und die Zukunft wird zeigen, ob ich recht oder unrecht gehabt habe. Aber im Februar 1937 sah ich die Dinge nicht ganz im gleichen Licht. Ich war des Nichtstuns an der aragonischen Front müde und war mir vor allen Dingen darüber im klaren, daß ich meinen gerechten Anteil am Kampf noch nicht geleistet hatte. Ich entsann mich des Rekrutierungsplakates in Barcelona, das die Passanten mahnend fragte: »Was hast Du für die Demokratie getan?«, und ich fühlte, daß ich nur antworten könnte: »Ich habe meine Rationen in Empfang genommen.« Als ich mich der Miliz anschloß,

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