Mein Katalonien
haben, um zu sehen, daß es auf dieser Seite von Huesca keine größeren Kampfhandlungen geben werde, zumindest nicht zu jener Zeit. Der strategisch wichtige Punkt war die Straße nach Jaca, sie lag auf der anderen Seite. Als die Anarchisten später ihren Angriff auf die Straße nach Jaca begannen, war es unsere Aufgabe, hinhaltende Angriffe zu unternehmen und die Faschisten zu zwingen, Truppen von der anderen Seite abzuziehen.
Während der ganzen Zeit, also etwa sechs Wochen lang, gab es nur ein Ereignis an unserem Frontabschnitt. Damals griffen unsere Stoßtruppen Manicomio an, eine nicht mehr benutzte Irrenanstalt, die die Faschisten in eine Festung umgewandelt hatten. In der P.O.U.M. dienten mehrere hundert deutsche Flüchtlinge. Man hatte sie in einem besonderen Bataillon, dem Batallón de Choque, zusammengefaßt. Vom militärischen Standpunkt aus hatten sie im Vergleich mit der übrigen Miliz recht unterschiedliche Qualifkationen. Sie waren wirklich mehr als irgend jemand, den ich in Spanien sah, Soldaten, mit Ausnahme der Sturmgarde und einem Teil der Internationalen Brigade. Der Angriff wurde wie gewöhnlich verdorben. Ich frage mich, wie viele Operationen in diesem Kriege wohl auf der Regierungsseite nicht verdorben wurden? Die Stoßtruppen nahmen Manicomio im Sturm. Aber die Truppen, ich habe vergessen, zu welcher Milizeinheit sie gehörten, die sie unterstützen sollten, indem sie die benachbarten Hügel, die Manicomio beherrschten, nehmen sollten, wurden ziemlich böse zurückgeschlagen. Der Kapitän, der sie anführte, war einer jener regulären Armeeoffiziere einer etwas zweifelhaften Loyalität, auf deren weiteren Diensten die Zentralregierung bestand. Aus Furcht oder Verrat warnte er die Faschisten, indem er eine Handgranate warf, als er zweihundert Meter weit von ihnen entfernt war. Es bereitet mir eine Genugtuung zu berichten, daß seine Leute ihn auf der Stelle erschossen. Aber der Überraschungsangriff war keine Überraschung mehr, und die Milizsoldaten wurden durch heftiges Feuer niedergemäht und vom Hügel heruntergetrieben. So mußten die Stoßtruppen beim Anbruch der Nacht Manicomio wieder aufgeben. Die ganze Nacht hindurch fuhren die Ambulanzwagen die abscheuliche Straße nach Sietamo hinunter und töteten dabei die Schwerverwundeten durch die schüttelnde Fahrt.
Jetzt waren wir alle verlaust, denn trotz der Kälte war es dafür schon warm genug. Ich habe ziemliche Erfahrungen mit körperlichem Ungeziefer jeder Art gemacht, aber an absoluter Gemeinheit schlägt die Laus alles, was mir je begegnet ist. Andere Insekten, wie beispielsweise die Mücken, machen einem mehr zu schaffen, aber sie sind wenigstens keine Dauerbewohner. Die menschliche Laus gleicht etwa einem winzigen Krebs und lebt hauptsächlich in den Hosen. Es gibt kaum eine Möglichkeit, sie loszuwerden, außer daß man seine Kleidung verbrennt. Sie legt ihre glitzernd weißen Eier, die wie winzige Reiskörner aussehen, in die Hosennähte, und daraus kriechen junge Läuse aus und brüten selbst mit schrecklicher Geschwindigkeit neue Familien aus. Ich glaube, es wäre nützlich für die Pazifsten, ihre Flugblätter mit vergrößerten Fotografen von Läusen zu illustrieren. Das ist wahrhaftig die Glorie des Krieges! Im Krieg sind alle Soldaten verlaust, wenigstens wenn es warm genug ist. Die Männer, die bei Verdun, bei Waterloo, bei Flodden, bei Senlac und bei den Thermopylen kämpften – jeder von ihnen hatte Läuse, die über seine Hoden krochen. Wir kamen dem Viehzeug ein wenig bei, indem wir ihre Eier ausbrannten und so oft, wie wir den Mut dazu aufbrachten, badeten. Außer Läusen hätte mich nichts in den eiskalten Fluß treiben können.
Alles wurde knapp – Stiefel, Kleidung, Tabak, Seife, Kerzen, Streichhölzer und Olivenöl. Unsere Uniformen lösten sich in Stücke auf, und viele Männer hatten keine Stiefel mehr, sondern nur Sandalen mit Sohlen aus Stricken. Überall fand man ganze Haufen zerschlissener Stiefel. Einmal nährten wir ein Feuer im Unterstand zwei Tage lang fast nur mit Stiefeln, die kein schlechter Brennstoff sind. Zu diesem Zeitpunkt war meine Frau in Barcelona und schickte mir Tee, Schokolade, ja sogar Zigarren, wenn sie so etwas bekommen konnte. Aber selbst in Barcelona wurde alles knapp, besonders der Tabak. Tee war eine Gottesgabe, obwohl wir nie Milch und selten etwas Zucker hatten. Aus England wurden ständig Pakete an die Männer in der Truppe geschickt, aber sie kamen nie an. Nahrungsmittel,
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