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Mein Katalonien

Titel: Mein Katalonien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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Verbindungsgraben herauf. Bei zwanzig Metern waren sie innerhalb der Entfernung, in der man Handgranaten werfen konnte. Wir waren acht oder neun, die sich zusammengedrängt hatten, und eine einzige wohlgezielte Handgranate konnte uns in Stücke reißen. Bob Smillie, dem das Blut von einer kleinen Wunde im Gesicht herabfloß, richtete sich auf seine Knie auf und schleuderte eine Handgranate. Wir duckten uns und warteten auf die Explosion. Der Zünder sprühte rot, während sie durch die Luft segelte, aber die Handgranate explodierte nicht. (Mindestens ein Viertel dieser Handgranaten waren Versager.) Ich hatte außer den faschistischen keine Handgranate mehr übrig und wußte nicht, wie sie funktionierten. Ich rief den übrigen zu, ob jemand eine Handgranate übrig habe. Douglas Moyle faßte in seine Tasche und reichte mir eine herüber. Ich schleuderte sie und warf mich auf mein Gesicht. Durch einen der Glücksfälle, die es jedes Jahr einmal gibt, war es mir gelungen, die Handgranate fast genau dort hinzuwerfen, wo das Gewehr aufblitzte. Wir hörten den Donner der Explosion und sofort danach ein grauenhaftes Aufschreien, Gebrüll und Stöhnen. Einen von ihnen hatten wir jedenfalls erwischt. Ich weiß nicht, ob er getötet wurde, aber sicherlich war er schwer verwundet. Armer Teufel, armer Teufel! Ich fühlte ein vages Mitleid; als ich ihn schreien hörte. Aber im gleichen Augenblick sah oder glaubte ich beim dünnen Licht der Mündungsfeuer zu sehen, wie eine Gestalt nahe der Stelle stand, wo das Gewehr aufgeblitzt hatte. Ich riß mein Gewehr hoch und feuerte. Noch ein Schrei, aber ich glaube, es war immer noch die Wirkung der Handgranate. Weitere Handgranaten wurden geworfen. Die nächsten Mündungsfeuer, die wir sahen, waren schon viel weiter weg, hundert Meter oder mehr. So hatten wir sie zumindest augenblicklich zurückgetrieben.
    Jeder begann zu fluchen und meinte, warum man uns, zum Teufel, keine Verstärkung schicke. Mit einer Maschinenpistole oder zwanzig Mann mit sauberen Gewehren hätten wir diese Stellung gegen ein Bataillon halten können. In diesem Augenblick kletterte Paddy Donovan, nach Benjamin der stellvertretende Kommandeur, über die vordere Brustwehr. Er war zurückgeschickt worden, um Befehle zu empfangen.
    »He! Kommt heraus! Alle Mann sofort zurückziehen!« »Was?«
    »Zurück! Kommt heraus!« »Warum?«
    »Befehl. So schnell wie möglich zurück zu unseren eigenen Linien.«
    Die Leute kletterten schon über die vordere Brustwehr. Einige von ihnen mühten sich mit einer schweren Munitionskiste ab. Meine Gedanken flogen zu dem Fernrohr zurück, das ich auf der anderen Seite der Stellung an die Brustwehr gelehnt zurückgelassen hatte. Aber in diesem Augenblick sah ich die vier Stoßtruppler den Verbindungsgraben hinaufaufen. Ich nahm an, sie befolgten irgendeinen unerklärlichen Befehl, den sie vorher erhalten hatten. Der Graben führte zu der anderen faschistischen Stellung und damit, sollten sie dorthin gelangen, in den sicheren Tod. Sie verschwanden in der Dunkelheit. Ich rannte ihnen nach und versuchte, mich an das spanische Wort für »zurückziehen« zu erinnern. Schließlich rief ich: »Atrás! Atrás«, das vielleicht den richtigen Sinn vermittelte. Der Spanier verstand es und brachte die anderen zurück. Paddy wartete an der Brustwehr.
    »Kommt, los, beeilt euch!«
    »Aber das Fernrohr!«
    »Sch… auf das Fernrohr! Benjamin wartet draußen.« Wir kletterten hinaus. Paddy hielt den Draht für mich zur
    Seite. Sobald wir aus dem Schutz der faschistischen Brustwehr wegkamen, lagen wir unter teuflischem Feuer, das sich von allen Seiten auf uns zu richten schien. Ich habe keinen Zweifel, daß es teilweise von unserer eigenen Seite kam, denn jetzt schoß jeder an der ganzen Front. Wohin wir uns auch wandten, schoß ein starker Kugelregen an uns vorbei. In der Dunkelheit wurden wir wie eine Schafherde hin und her getrieben. Das wurde nicht leichter dadurch, daß wir eine erbeutete Kiste mit Munition hinter uns herzogen – eine jener Kisten mit 1750 Rahmen, die ungefähr einen Zentner wiegen –, außerdem eine Kiste mit Handgranaten und mehrere faschistische Gewehre. Nach ein paar Minuten hatten wir uns vollständig verirrt, obwohl die Entfernung von Brustwehr zu Brustwehr nicht einmal zweihundert Meter betrug und die meisten von uns das Gelände kannten. Wir glitten in dem schlammigen Feld umher und wußten nur, daß die Kugeln von beiden Seiten kamen. Es gab keinen Mond, nach dem man sich

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