Mein Katalonien
richten konnte. Aber der Himmel wurde ein wenig heller. Unsere Linien lagen östlich von Huesca. Ich wollte an Ort und Stelle liegenbleiben, bis uns das erste Licht der Morgendämmerung zeigte, wo Osten und Westen waren. Aber die anderen waren dagegen. Wir rutschten weiter, änderten unsere Richtung verschiedene Male und wechselten uns ab, die Munitionskiste mitzuzerren. Schließlich sahen wir vor uns undeutlich die niedrige fache Linie einer Brustwehr. Es konnte unsere eigene, es konnte aber auch die faschistische sein. Niemand hatte die geringste Ahnung, wohin wir gingen. Benjamin kroch auf seinem Bauch durch hohes, weißes Unkraut, bis er zwanzig Meter vor der Brustwehr war, und er versuchte, den Wachtposten anzurufen. Der Schrei »Poum!« antwortete ihm. Wir sprangen auf unsere Füße, fanden unseren Weg an der Brustwehr entlang, tappten noch einmal durch den Bewässerungsgraben – platsch, glucks! – und waren in Sicherheit.
Kopp wartete zusammen mit einigen Spaniern innerhalb der Befestigung. Der Doktor und die Tragbahren waren fort. Es schien, daß alle Verwundeten hereingekommen waren, außer Jorge und einem unserer eigenen Leute, er hieß Hiddlestone, die fehlten. Kopp schritt sehr bleich auf und ab. Selbst die fetten Falten hinten an seinem Nacken waren bleich. Er achtete nicht auf die Kugeln, die über die niedrige Brustwehr flogen und in der Nähe seines Kopfes zerbarsten. Die meisten von uns kauerten sich hinter der Brustwehr in Deckung. Kopp murmelte: »Jorge! Cogno! Jorge!« Und dann in englisch: »Wenn Jorge weg ist, ist es fuurchtbar, fuurchtbar!« Jorge war sein persönlicher Freund und einer seiner besten Offiziere. Plötzlich wandte er sich zu uns und fragte nach fünf Freiwilligen, zwei Engländern und zwei Spaniern, um nach den vermißten Leuten auszuschauen. Moyle und ich meldeten uns freiwillig mit drei Spaniern.
Als wir nach draußen kamen, murmelten die Spanier, es werde gefährlich hell. Das war völlig richtig, der Himmel zeigte schon ein dünnes Blau. Von der faschistischen Befestigung schallte ein großer Lärm aufgeregter Stimmen herüber. Offensichtlich hatten sie die Stellung mit einer größeren Truppe als vorher wieder besetzt. Wir waren sechzig oder siebzig Meter von ihrer Brustwehr entfernt, als sie uns gesehen oder gehört haben müssen, denn sie feuerten eine schwere Salve zu uns herüber, so daß wir uns auf unsere Gesichter warfen. Einer von ihnen schleuderte eine Handgranate über die Brustwehr – ein sicheres Zeichen von Panik. Wir lagen im Gras und warteten auf eine Gelegenheit, um uns weiterzubewegen, als wir hörten oder zu hören glaubten, daß die faschistischen Stimmen jetzt viel näher waren. Ich habe keinen Zweifel, daß es pure Einbildung war, aber zu jener Zeit schien es tatsächlich so zu sein. Sie hatten die Brustwehr verlassen und kamen auf uns zu. »Lauf!« schrie ich Moyle zu und sprang auf meine Füße. Du lieber Himmel, wie ich rannte! Vorher, in der Nacht, hatte ich gedacht, man könne von Kopf bis Fuß durchweicht und mit Gewehr und Patronen beladen nicht laufen. Jetzt erlebte ich, daß man immer laufen kann, wenn man glaubt, fünfzig oder hundert bewaffnete Leute seien hinter einem her. Aber wenn ich schnell rennen konnte, so waren andere noch schneller. Während meiner Flucht schoß etwas wie ein Schwarm von Meteoren an mir vorbei. Das waren die drei Spanier, die vor mir gewesen waren. Sie hatten schon unsere Befestigung erreicht, bevor sie anhielten und ich sie einholen konnte. In Wahrheit waren wir vollständig mit unseren Nerven fertig. Ich wußte jedoch, daß in der Dämmerung ein Mann unsichtbar ist, während fünf deutlich zu sehen sind. So ging ich allein zurück. Es gelang mir, bis an den äußeren Stacheldraht zu kommen, und ich durchsuchte das Gelände, so gut ich konnte. Das war aber nicht sehr gründlich, denn ich mußte auf meinem Bauch liegen. Von Jorge oder Hiddlestone war nichts zu sehen, und so kroch ich zurück. Später erfuhren wir, daß sowohl Jorge wie auch Hiddlestone schon früher zur Verbandstation gebracht worden waren. Jorge war an der Schulter leicht verwundet worden. Hiddlestone erhielt eine schreckliche Wunde – eine Kugel bohrte sich seinen linken Arm herauf und brach den Knochen an verschiedenen Stellen. Als er hilflos am Boden lag, explodierte eine Handgranate in der Nähe und verletzte verschiedene andere Teile seines Körpers. Es freut mich aber, sagen zu können, daß er sich erholte. Später erzählte er mir,
Weitere Kostenlose Bücher