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Mein Katalonien

Titel: Mein Katalonien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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ahnungsvoll: »In Kürze wird es Ärger geben.« Die Gefahr war einfach und verständlich. Es war der Gegensatz zwischen denen, die die Revolution vorantreiben wollten, und jenen, die sie kontrollieren und verhindern wollten. Letzten Endes also zwischen den Anarchisten und den Kommunisten. Neben der P.S.U.C. und ihren liberalen Verbündeten gab es politisch keine Macht in Katalonien. Dem gegenüber stand die unbekannte Macht der C.N.T. Sie war weniger gut bewaffnet, und ihre Anhänger waren weniger eindeutig davon überzeugt, was sie wollten, als ihre Feinde. Aber sie waren mächtig durch ihre Zahl und ihre Vorherrschaft in einigen Schlüsselindustrien. Bei dieser Anordnung der Kräfte mußte es zu einer Auseinandersetzung kommen. Vom Standpunkt der Generalidad, die von der P.O.U.M. kontrolliert wurde, bestand die erste Notwendigkeit darin, ihre eigene Position zu sichern und die Waffen aus den Händen der C.N.T.-Arbeiter zu nehmen. Wie ich schon vorher gezeigt habe, war im Grunde die Aktion zur Auflösung der Parteimiliz ein Manöver mit diesem Ziel. Zur gleichen Zeit waren die bewaffneten Polizeistreitkräfte aus der Vorkriegszeit, die Zivilgarde und so weiter wieder eingesetzt, verstärkt und bewaffnet worden. Das konnte nur eins bedeuten. Vor allem die Zivilgarde war eine Gendarmerie im normalen, kontinentalen Sinn, die nahezu ein Jahrhundert lang als Leibwache der besitzenden Klasse gedient hatte. In der Zwischenzeit war ein Dekret erlassen worden, wonach alle Waffen, die im Besitz von Privatpersonen waren, zurückgegeben werden mußten. Natürlich war diese Anordnung nicht befolgt worden. Es war klar, daß man die Waffen den Anarchisten nur durch Gewalt abnehmen konnte. Während der ganzen Zeit wurden recht vage und wegen der Zeitungszensur widersprüchliche Gerüchte kolportiert, wonach sich in ganz Katalonien kleinere Kämpfe abspielten. An verschiedenen Orten hatten die bewaffneten Polizeistreitkräfte Angriffe auf anarchistische Stützpunkte unternommen. Bei Puigcerda an der französischen Grenze hatte man eine Gruppe Carabineros beordert, das Zollhaus zu besetzen, das bis dahin von den Anarchisten kontrolliert wurde, und Antonio Martin, ein bekannter Anarchist, wurde dabei getötet 1 .
    1 Korrekturnotiz, die nach Orwells Tod gefunden wurde: »Man hat mir gesagt, daß mein Hinweis auf diesen Vorfall falsch und irreführend ist.« benötigte zwei Stunden, um an einer Stelle vorbeizumarschieren. Ohne Begeisterung sah ich sie vom Hotelfenster aus. Es war offensichtlich, daß das sogenannte Begräbnis nur eine Schaustellung der Macht war. Noch mehr davon, und es würde Blutvergießen geben. In der gleichen Nacht wurden meine Frau und ich durch eine Serie Schüsse aus der Richtung der Plaza de Cataluña aufgeweckt, die hundert oder zweihundert Meter entfernt lag. Am nächsten Tag erfuhren wir, daß man einen C.N.T.-Mann getötet hatte, vermutlich durch einen Anhänger der U.G.T. Es war natürlich durchaus möglich, daß alle diese Morde durch Provokateure begangen wurden. Man kann die Haltung der ausländischen, kapitalistischen Presse im kommunistischanarchistischen Bruderkampf daran ermessen, wie über die Ermordung Roldans groß berichtet wurde, während der andere Mord sorgfältig verschwiegen wurde.
    Der 1.Mai näherte sich.
    Ähnliche Vorfälle hatten sich in Figueras und, so glaube ich, in Tarragona ereignet. In Barcelona hatte es eine Anzahl mehr oder weniger inoffizieller Keilereien in den Arbeitervorstädten gegeben. Schon seit einiger Zeit hatten sich Mitglieder der C.N.T. und U.G.T. gegenseitig ermordet. Aus verschiedenen Anlässen folgten große, herausfordernde Begräbnisse auf diese Morde, die ganz bewußt arrangiert wurden, um den politischen Haß zu schüren. Kurze Zeit vorher war ein Mitglied der C.N.T. ermordet worden, und die C.N.T. brachte einige hunderttausend Mitglieder auf die Beine, um dem Leichenzug zu folgen. Gegen Ende April, gerade als ich nach Barcelona gekommen war, wurde Roldan Cortada, ein prominentes Mitglied der U.G.T. ermordet, vermutlich durch einen Anhänger der C.N.T. Die Regierung ordnete an, alle Läden zu schließen, und arrangierte eine riesige Begräbnisprozession, hauptsächlich mit Truppen der Volksarmee. Diese Prozession und man sprach von einer großen Demonstration, an der sowohl die C.N.T. als auch die U.G.T. teilnehmen würden. Seit einiger Zeit hatten sich die C.N.T.-Führer, gemäßigter als viele ihrer Gefolgsleute, um eine Versöhnung mit der U.G.T. bemüht.

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