Mein Katalonien
Überheblichkeit vorschütze. Nach mehreren Monaten voll Unbequemlichkeit erfüllte mich ein heißhungriger Wunsch nach anständigem Essen und Wein, Cocktails, amerikanischen Zigaretten und so weiter. Ich gebe zu, daß ich mich in jeglichem Luxus wälzte, solange ich das Geld dazu hatte. Während dieser ersten Woche, ehe die Straßenkämpfe begannen, war ich mit verschiedenen Dingen beschäftigt, die auf seltsame Weise Einfluß aufeinander hatten. Zunächst einmal bemühte ich mich, wie schon gesagt, es mir so bequem wie möglich zu machen. Dann fühlte ich mich während der ganzen Woche wegen des vielen Essens und Trinkens nicht wohl. Ich war ein wenig benommen, legte mich einen halben Tag ins Bett, stand auf und aß ein neues, überreichliches Mahl und fühlte mich dann wieder krank. Zur gleichen Zeit führte ich geheime Verhandlungen, um einen Revolver zu kaufen. Ich wollte unbedingt einen Revolver haben – der im Grabenkampf viel nützlicher ist als ein Gewehr –, aber man konnte ihn nur sehr schwer bekommen. Die Regierung verteilte sie an Polizisten und Offiziere der Volksarmee, weigerte sich aber, sie der Miliz zu geben. Man mußte sie illegal aus den geheimen Lagern der Anarchisten kaufen. Nach viel Mühen und Theater gelang es einem meiner anarchistischen Freunde, mir eine kleine, automatische 0,26-Inch-Pistole zu beschaffen; eine schlechte Waffe, die für eine Entfernung über fünf Meter nutzlos war, aber dennoch besser als nichts. Außerdem unternahm ich gleichzeitig die ersten Bemühungen, um die P.O.U.M.-Miliz zu verlassen und in eine andere Einheit einzutreten, um sicherzugehen, daß ich an die Front von Madrid geschickt würde.
Seit einiger Zeit erzählte ich jedem, ich beabsichtige, die P.O.U.M. zu verlassen. Wäre es allein um meine persönliche Vorliebe gegangen, hätte ich mich am liebsten den Anarchisten angeschlossen. Wurde man ein Mitglied der C.N.T. war es möglich, in die F.A.I.-Miliz einzutreten. Aber man sagte mir, daß mich die F.A.I. eher nach Teruel als nach Madrid schicken würde. Wollte ich nach Madrid gehen, so müsste ich mich der Internationalen Brigade anschließen. Das aber hieß, ich mußte die Empfehlung eines Mitgliedes der kommunistischen Partei bekommen. Ich suchte einen kommunistischen Freund auf, der in der spanischen Sanitätstruppe diente, und erklärte ihm meinen Fall. Er schien sehr darauf bedacht zu sein, mich zu rekrutieren, und fragte mich, ob ich nicht noch einige andere Engländer von der I.L.P. überreden könne, mit mir zu kommen. Wäre ich damals in einem besseren Gesundheitszustand gewesen, hätte ich mich wahrscheinlich sofort entschlossen zuzustimmen. Heute ist es schwer zu sagen, welchen Unterschied es ausgemacht hätte. Möglicherweise hätte man mich nach Albacete geschickt, ehe die Kämpfe in Barcelona ausbrachen. In diesem Fall hätte ich die Kämpfe nicht aus unmittelbarer Nähe gesehen und vielleicht die offizielle Version als wahr akzeptiert. Andererseits wäre meine Lage unmöglich gewesen, wenn ich noch in Barcelona gewesen wäre. Dann hätte ich während des Kampfes unter kommunistischem Kommando gestanden und gleichzeitig das Gefühl der persönlichen Loyalität für meine Kameraden in der P.O.U.M. empfunden. Mir stand jedoch noch eine Woche Urlaub zu, und ich war sehr bemüht, bevor ich an die Front zurückkehrte, meine Gesundheit zu kräftigen. Außerdem mußte ich warten – das ist eine der Kleinigkeiten, die immer das Schicksal lenken –, während der Schuhmacher mir ein neues Paar Stiefel herstellte. (Der ganzen spanischen Armee war es nicht gelungen, ein Paar Stiefel herbeizubringen, die groß genug für mich waren.) Ich sagte meinem kommunistischen Freund, daß ich einen endgültigen Entschluß später fassen würde, in der Zwischenzeit wolle ich mich ein bißchen ausruhen. Ich war sogar der Ansicht, daß wir – meine Frau und ich – für zwei oder drei Tage an die See gehen könnten. Was für eine Idee! Die politische Atmosphäre hätte mich warnen müssen, daß das nicht das Richtigste war, was man augenblicklich tun konnte.
Denn hinter dem oberfächlichen Bild der Stadt, hinter dem Luxus und der wachsenden Armut, hinter der scheinbaren Fröhlichkeit der Straßen mit ihren Blumenständen, ihren vielfarbigen Fahnen, ihren Propagandaplakaten und den sich drängenden Menschenmengen gab es ein unbezweifelbares und schreckliches Gefühl politischer Rivalität und des Hasses. Menschen mit den verschiedensten Anschauungen sagten
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